Verletzung religiöser Gefühle
Die Auseinandersetzung um die Aufstellung einer Madonnenfigur in einer Bistumsstadt ist Anlass eines satirischen Beitrags in einer Zeitung. Der Autor glossiert den bisherigen Stellenwert der Marienverehrung in der Stadt vor dem Hintergrund der geänderten politischen Verhältnisse seit den Kommunalwahlen. Der Text gipfelt in der Forderung an die Himmelskönigin, dem Streit ein schnelles Ende zu bereiten »Durch ein Wunder zum Beispiel: Wie wär's mit einer unbefleckten Empfängnis - oder mal wieder mit einer Erscheinung?«. Der Pressesprecher des Bischofs wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Artikel verletze das religiöse Empfinden der katholischen Gläubigen, indem er wesentliche Glaubensfundamente der Lächerlichkeit preisgebe. Der Beschwerdeführer moniert u.a. die rhetorische Frage nach einem »Wunder« sowie die Bezeichnung von Jesus als »Sohnemann«, der »rein anbetungsmäßig«als »leader of the gang« verunglimpft werde. Der Chefredakteur des Blattes betont, dass es sich hier um eine satirische Glosse handele, wie aus Diktion und Sprachauswahl eindeutig hervorgehe. Für die Satire sei es nach allgemeiner Rechtsauffassung typisch, dass sie übertreibe und ein Zerrbild der Wirklichkeit geben dürfe. Dies zeige sich vor allem in der ironisierenden Wortwahl. Von »Lady Madonna« und »leader of the gang« in einem normalen Artikel zu sprechen, käme wohl keinem Journalisten in den Sinn. Diesen - auch von der Rechtsprechung gelassenen Spielraum - habe der Autorin seiner Satire genutzt. Der Beitrag sei auf der letzten Seite der Zeitung veröffentlicht worden. Diese letzte Seite sei ganz eindeutig als Glossen-Seite kenntlich gemacht. (1995)