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Interview

Vier Mitglieder einer Burschenschaft gewähren einem Journalisten, der sich ihnen gegenüber als festangestellter Mitarbeiter einer Tageszeitung zu erkennen gibt, während eines Treffens der Burschenschaften ausführliche Interviews. Einige Zeit später erkundigt sich einer der Interviewten bei dem Journalisten, ob der geplante Artikel bereits erschienen sei. Dieser erklärt, sein Beitrag sei weder in der Zeitung, für die er arbeite, noch in einer anderen Zeitung veröffentlicht worden. Kurz darauf erscheint aber in einer bis dahin nicht genannten Tageszeitung unter anderem Namen ein Bericht über das Burschenschaftstreffen mit Auszügen aus den Interviews, die seinerzeit mit den vier Burschenschaftlern geführt worden waren. Auf Rückfrage erklärt der Journalist, dass sein Manuskript von der anderen Zeitung unter einem Pseudonym veröffentlicht worden sei. Der Vorstand der betroffenen Burschenschaft legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Ihm geht es nicht um den Inhalt des Artikels, sondern ausschließlich um die Handlungsweise der Zeitung. Einem Interviewten müsse überlassen bleiben, selbst zu entscheiden, in welcher Zeitung er zitiert werden wolle. Falls sich die Vorwürfe darauf konzentrieren sollten, dass jeder Journalist bei Interviews und Recherchen alle Medien angeben müsse, für die er je gearbeitet habe oder auch künftig zu arbeiten gedenke, so hätte der Presserat zu beachten, dass solche Vorwürfe den Journalisten treffen und nicht die Zeitung, erklärt der Chefredakteur des Blattes. Richtlinie 4.1 verlange von einem Interviewer nicht eine detaillierte Darlegung gegenüber den Gesprächspartnern, in welcher Form er seine journalistische Arbeit aufbereite und wie er sie im Detail verwerte. Die Zeitung hatte jedenfalls keine Bedenken, den Beitrag zur Veröffentlichung anzunehmen, nachdem die Zeitung, für die der Beitrag zunächst gedacht war, daran kein Interesse hatte. Der Chefredakteur gibt schließlich zu bedenken, dass die Gesprächsteilnehmer bei einer Veröffentlichung in der ihnen ursprünglich genannten Zeitung auch damit hätten rechnen müssen, dass sie in anderen Medien zitiert werden. (1996)