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Brandmarkung

Ein Säugling wird bei einer Bluttransfusion in einem Krankenhaus mit HIV infiziert. Eine Boulevardzeitung berichtet darüber. Ihre Schlagzeile lautet »Aids-Baby - Komm' und sieh, wie Lars stirbt!« Die Zeitung druckt einen Brief der Mutter des infizierten Kindes an den Blutspender ab, der für die Infektion verantwortlich sein soll. In einer weiteren Ausgabe der Zeitung wird der Klinik eine »unglaubliche Kette von Pannen« vorgeworfen, die zu der Infektion geführt habe. Neben der Schlagzeile »Aids-Baby Lars -Sein Blut war's - Geschieden - Zwei Kinder - Homosexuell« wird der angeblich verantwortliche Blutspender abgebildet, wobei die Augen mit einem schwarzen Balken abgedeckt sind. Sein Vorname wird genannt, der erste Buchstabe des Familiennamens angegeben. Am Ende des Artikels heißt es, er reise als »lebende Bombe« durchs Land. Unter dem Titel »Lieber Gott, lass Lars nicht sterben« erscheint einen Tag später ein Interview mit dem Mann. Zwei Fotos zeigen ihn im Profil. Die Redaktion einer Homosexuellen Zeitschrift und die Aids-Hilfe beschweren sich beim Deutschen Presserat. Die Berichterstattung schaffe eine Atmosphäre der Ausgrenzung und des Hasses gegenüber HIV-Infizierten und Aids-Erkrankten, so lautet einer der Vorwürfe. (1991)