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Vorwürfe im Leserbrief

Tatsachenbehauptungen müssen vor Veröffentlichung geprüft werden

Eine Lokalzeitung veröffentlicht den Brief eines Lesers, der seinen Unmut äußert über die Arbeit des örtlichen Kreisbauamtes. Ein Antrag auf Rücknahme der nachbarlichen Grenzbebauung habe da keine Chance. Fragen nach Parteibuch, Akteneinsichtnahme und Mundgeruch beantwortet der Autor ironisch mit „Auweia“. Die besonderen Beratungsleistungen des „eisernen Ottmar“ seien zum Beispiel Datumsänderungen für Steuerhinterzieher. Das Amt brauche neue Männer, stellt der Leserbriefschreiber abschließend fest. Der betroffene Ottmar, Leiter des so gescholtenen Kreisbauamts, sieht sich verleumdet und reicht Beschwerde beim Presserat ein. Die Redaktion der Zeitung habe ihre Sorgfaltspflicht nicht genügend wahrgenommen. Der Leserbriefschreiber habe für seine persönlichen Vorwürfe gegen ihn keine Belege beibringen müssen. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, der beanstandete Leserbrief sei Teil einer Diskussion über die Effizienz der Kreisverwaltung gewesen. Auf Grund einer Vielzahl von negativen Äußerungen von Lesern über die Verwaltung habe man geglaubt, im berechtigten Interesse zu handeln, als man die zugegebenermaßen etwas polemische Zuschrift veröffentlicht habe. Übliche Praxis sei, dass sich Personen, die sich in irgendeiner Form angesprochen fühlten, auf den „Meinungstreff“-Seiten der Zeitung postwendend wehren könnten. Dies habe der Beschwerdeführer nicht getan, obwohl eine nun von ihm gewünschte Richtigstellung ganz sicherlich die erwartete Wirkung in der Öffentlichkeit gehabt hätte. Der Beschwerdeführer urteile realitätsfern, wenn er in Zusammenhang mit der von ihm beanstandeten Veröffentlichung fordere, dass Leserbriefe vor der Veröffentlichung im einzelnen überprüft werden müssten. (2002)