Gerichtsberichterstattung
Ein 23jähriger steht vor Gericht, weil er auf seinen zwei Wochen alten Sohn eingeschlagen haben soll. Der Säugling starb fünf Tage nach der Tat. Die örtliche Zeitung berichtet in insgesamt 15 Artikeln über den Verlauf des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens. In Überschrift und Text des ersten Beitrags wird der Name des Betroffenen vollständig genannt. Auch wird erwähnt, dass er der Sohn eines Bankdirektors ist. In den folgenden Berichten ist nur noch der Vorname genannt und der Anfangsbuchstabe des Familiennamens angegeben. Der Angeklagte wird aber im Bild gezeigt. Er wird wegen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Sein Vater beklagt in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat eine einseitige, tendenziöse Berichterstattung der Zeitung. Auch seien die Persönlichkeitsrechte der Familienangehörigen verletzt worden. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, sie habe in ihren Berichten nur erwähnt, was vor Gericht vorgetragen worden sei. Das Verhältnis des Täters zu seinen Eltern habe erwähnt werden müssen, da es mit ursächlich für die Tat gewesen sei. (1994/95)