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Strafvollzug in der Kritik

Was daran falsch ist, bleibt dem Presserat verborgen

Unter der Überschrift “Bestechung für einen stillen Tod” berichtet eine Regionalzeitung über einen Brand in einer Justizvollzugsanstalt, bei dem zwei Häftlinge ums Leben kamen. Nach Darstellung der Zeitung haben zwei Beamte der JVA um 2,56 Uhr Alarm geschlagen. Als um 3,11 Uhr die Feuerwehr eintraf, waren die Flammen bereits gelöscht. Nach Untersuchung des Vorganges habe die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten mit dem Ergebnis “Doppelselbstmord” geschlossen. Die Zeitung schildert die Beobachtung eines Häftlings, nach dessen Aussagen es 20 Minuten gedauert hat, bis die von ihm und anderen Häftlingen alarmierten Beamten in die Zelle gekommen sind. Nach Darstellung der Zeitung hat dieser Zeuge jedoch geschwiegen, weil er von Mitarbeitern der JVA mit Vergünstigungen und Sachleistungen bestochen worden ist. Selbst nach seiner Entlassung hätten sich Mitarbeiter der JVA weiterhin um ihn gekümmert, ihm Einrichtungsgegenstände geschenkt und sogar eine Bescheinigung ausgestellt, dass er als Krankenpfleger im Gefängniskrankenhaus gearbeitet habe. Abschließend berichtet die Zeitung, dass der Zeuge seine ursprüngliche Aussage gegenüber der Polizei über die Vorgänge in der Brandnacht heute nicht mehr so machen würde, da diese alle auf Lügen aufgebaut waren. Heute würde er auf die “tödliche Verzögerung” hinweisen und auch zu Protokoll geben, dass seine Aussage damals mit Geschenken belohnt worden sei. Eine Woche später schreibt die Zeitung unter der Überschrift “Frauen, Fusel, falsche Blutwerte?” über “Sex-Kontakte”, die ein leitender Pfleger der Justizvollzugsanstalt organisiere. Der Mann kassiere dafür jeweils 50 Mark. Gegen eine “Grundgebühr” von 50 Mark hätten Gefangene über den Pfleger auch Lebensmittel ordern können. Die Zeitung benennt für beide Aussagen einen Häftling als Informanten. Dieser und ein weiterer Häftling sollen der Zeitung auch mitgeteilt haben, dass den Gefangenen von Mitarbeitern der JVA Desinfektionsmittel als Schnaps angeboten worden sei. Bei der Führung der Krankenakten sei hinsichtlich der Werte der Blut- und Urinproben häufig geschlampt worden. Der Personalrat der Justizvollzugsanstalt schreibt an den Deutschen Presserat. Der Leserschaft werde der Eindruck vermittelt, bei den geschilderten Vorgängen handele es sich um tatsächliche Ereignisse. Die Berichterstattung sei alles andere als frei von Vorurteilen. Der von der Zeitung präsentierte “Superzeuge” habe als Angeklagter in einer Gerichtsverhandlung seine Behauptungen mittlerweile zurücknehmen und richtig stellen müssen. Zudem sei er verpflichtet worden, sich in einem Schreiben bei den Bediensteten der JVA zu entschuldigen und gemeinnützige Arbeit zu leisten. Eine entsprechende Richtigstellung der Zeitung sei bislang jedoch noch nicht erfolgt. Die Autoren der kritisierten Artikel erklären, dass sie in mehreren Gesprächen mit ihrem Informanten dessen Aussagen überprüft hätten. Bei einem Besuch in der Wohnung des Ex-Häftlings hätten sie feststellen können, dass der wesentliche Teil der Wohnungseinrichtung von Beamten der JVA stammt. Beide legen dem Presserat auch eine Kopie des Arbeitsnachweises vor, den der Pflegevorsteher der Krankenstation des Gefängnisses ausgestellt hat. Schließlich gebe es mehrere Zeugen, welche die Aussagen des Informanten bestätigen. Inzwischen habe die Staatsanwaltschaft die bereits eingestellten Ermittlungen wegen des Todes der beiden Häftlinge wieder aufgenommen. Beide Redakteure erklären ferner, dass sie auch die Aussagen, die in ihrem zweiten Artikel getroffen wurden, durch mehrere Quellen haben überprüfen lassen. Gegen einen der Informanten habe der Leiter des JVA-Krankenhauses Anzeige erstattet. Dieses Verfahren sei vom zuständigen Amtsgericht eingestellt worden. Der Beschuldigte habe zu Beginn der Verhandlung erneut erklärt, dass er zu seinen Aussagen stehe. Im Laufe der Verhandlung habe er seine Vorwürfe jedoch nicht so weit präzisieren können, dass er tatsächlich gefälschte Krankenakten vorlegen bzw. den Namen der betroffenen Häftlinge nennen konnte. Diese Tatsache und die für ihn noch geltenden Bewährungsauflagen hätten seine Verteidigerin veranlasst, aus prozesstaktischen Gründen der Einstellung des Verfahrens gegen eine Arbeitsauflage und ein Schreiben an die JVA-Klinik zuzustimmen. Die von dem Informanten geschilderten Zustände in der Haftanstalt seien inzwischen durch einen weiteren Zeugen bestätigt worden. Die beiden Redakteure beurteilen die Beschwerde des Personalrats als hilflosen Versuch einer Gruppe von JVA-Beamten, eine kritische Berichterstattung über kriminelle Vergehen von Beamten der JVA zu verhindern. Dies geschehe nicht nur auf diesem Wege. So habe man ihnen direkt Gewalt angedroht. Und in der Stadt sei zeitweise ein Steckbrief mit dem Bild eines der Autoren plakatiert gewesen.