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Grundstückskauf

Ein Boulevardblatt berichtet, der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, leiste sich mit seiner Frau ein feines, kleines Feriengrundstück an der mecklenburgischen Ostseeküste. Der Verkehrswert des Anwesens mit reetgedecktem Haus betrage um die 320.000 Mark. Einen Tag später berichtet eine weitere Zeitung über denselben Sachverhalt. Beide Zeitungen fragen, woher der arbeitslose ehemalige Chef der SED das Geld für den Kauf und sein scheinbar sorgenfreies Leben habe. Und sie zitieren Krenz mit der Antwort, seine Frau habe das Haus gekauft. Die Frau des ehemaligen DDR-Politikers wendet sich an den Deutschen Presserat. In beiden Artikeln seien sachlich falsche Behauptungen enthalten. So habe sie das Grundstück nicht gekauft, sondern gepachtet. Der Verkehrswert betrage zudem nicht 320.000 Mark, sondern laut Wertgutachten lediglich 64.200 Mark. Das Haus habe auch nicht 60, sondern nur 35 qm Wohnfläche. Die Redaktionsleitung der einen Zeitung beruft sich auf den Ehemann. Der habe schließlich von einem Kauf durch seine Frau gesprochen. Die Aussage, das Anwesen habe einen Wert von 64.200 Mark, sei absurd. Nirgends an der Ostsee könne ein derartiges Seegrundstück zu einem solchen Preis erworben werden. Die Größe der Wohnfläche sei unerheblich. Entscheidend sei die Feststellung, dass sich das Ehepaar etwas derart Exklusives leisten könne. Darüber dürfe in jedem Falle berichtet werden. In Ergänzung dieser Stellungnahme lässt die Rechtsabteilung des Verlages den Presserat wissen, sie habe inzwischen beim zuständigen Liegenschaftsamt nachgefragt. Danach sei für das Krenz-Grundstück an der Ostsee ein Erbbaurechts-Vertrag auf 30 Jahre abgeschlossen worden. Das Erbbaurecht behandele Erbbauberechtigte hinsichtlich Grundstück und Haus wie Eigentümer. Unter diesen Umständen sei die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe das Grundstück lediglich gepachtet, falsch, während die Mitteilung, dass das Anwesen gekauft worden sei, keineswegs als unzutreffend bezeichnet werden könne. Die Chefredaktion der zweiten Zeitung beruft sich auf die Berichterstattung der ersteren. Da von den Betroffenen trotz mehrfacher Versuche keine Stellungnahme zu erhalten war, sei der zuständige Redakteur davon ausgegangen, dass die im Konkurrenzblatt enthaltenen Angaben zum Wert des Grundstücks richtig gewesen seien. (1996)