Fahndungshilfe
In drei Artikeln berichtet eine Regionalzeitung über die Flucht eines mutmaßlichen Sexualstraftäters aus der psychiatrischen Abteilung des Bezirksklinikums. In allen drei Beiträgen wird der volle Name des Mannes genannt. Zwei der Veröffentlichungen enthalten sein Foto. Die Überschriften lauten “Polizei sucht .... Sextäter”, “Flucht aus Psychiatrie” und “´Brutaler Sextäter flieht aus Psychiatrie”. Der Anwalt des Betroffenen sieht in den Bezeichnungen “Sextäter” und “brutaler Sextäter” eine Vorverurteilung, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Namensnennung und die Veröffentlichung der Fotos seien Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht seines Mandanten. Insbesondere deshalb, weil der Betroffene möglicherweise schuldunfähig sei. Der Anwalt legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Grund für die Berichterstattung sei der Wunsch der Polizei um Mithilfe gewesen, betont die Chefredaktion des Blattes. Der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine rechtskräftige Verurteilung vorlag, habe man durch den Hinweis im Text Rechnung getragen, dass es sich um einen “mutmaßlichen” Sextäter handele . Bei den Überschriften sei es aber hauptsächlich um die Warnung der Öffentlichkeit gegangen. Die Chefredaktion legt frühere Berichte über den Betroffenen bei, aus denen nach ihrer Ansicht hervorgeht, dass der Beschwerdeführer selbst zumindest in einem Fall den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs gestanden habe. Insofern sei nach dem deutschen Strafrecht der objektive Tatbestand der Täterschaft erfüllt. Die Frage der subjektiven Schuldfähigkeit und der Rechtskraft des Urteils musste nach Auffassung der Chefredaktion im vorliegenden Fall eindeutig hinter den Schutz der Öffentlichkeit zurücktreten. Name und Foto des Betroffenen seien auf Bitten der Polizei veröffentlicht worden. Dabei habe nicht die Frage der Schuldfähigkeit, sondern die offensichtlich mögliche Gefährdung Unbeteiligter im Vordergrund gestanden. (1997)