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Grenzen der Kritik

Der Vorsitzende eines Gemeinderats erleidet einen Herzinfarkt. Die örtliche Zeitung berichtet darüber und veröffentlicht dazu zwei Kommentare: »Ein ehrenwerter Bürger wurde zur Strecke gebracht« und »Die Jagd ist aus«. Im Bericht und in den Kommentaren wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen politischen Attacken gegen den Kommunalpolitiker und seinem Herzinfarkt. Dem Betroffenen war zuvor von den Sprechern zweier oppositioneller Parteien vorgeworfen worden, seine Lederfabrik habe vergiftete Abwässer in die Kanalisation geleitet. Vertreter beider Parteien beschweren sich beim Deutschen Presserat. Sie sehen die Grenzen einer verantwortungsvollen Kommentierung deutlich überschritten. Dem Leser werde der Eindruck vermittelt, politische Konfrontation sei allein darauf ausgelegt, den politischen Gegner persönlich gesundheitlich zu schädigen. Die Redaktion dagegen macht den Beschwerdeführern den Vorwurf, den Vorsitzenden der Stadtverordneten wochenlang innerhalb und außerhalb des Parlaments öffentlich angegriffen zu haben, ohne einen Beweis für ihre Vorwürfe vorlegen zu können. Mit ihren unbegründeten Beschuldigungen hätten die beiden »selbstgerechten Herren« ihr Ziel erreicht, einen politischen Gegner aus dem Amt zu jagen. (1991)