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Interview

Interviewer gibt sich Gesprächspartner nicht deutlich zu erkennen

In einer Wochenzeitung erscheint ein Interview mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Fernuniversität über die Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Dieser beschwert sich beim Deutschen Presserat über die Art und Weise, wie dieses Interview zu Stande gekommen ist. Der Autor habe sich ihm als Mitarbeiter der – nicht einer – „Berliner Wochenzeitung“ vorgestellt und um ein Interview mit seinem Vorgesetzten gebeten. Da sich dieser jedoch gerade in Urlaub befand, habe er sich selbst zu den Fragen des Journalisten geäußert und das Interview auch gegenüber der „Berliner Wochenzeitung“ autorisiert. Das ihm dazu vorab gefaxte Manuskript enthält allerdings keinen Hinweis auf die Herkunft mit Ausnahme der Faxnummer. Dass seine Wahlanalyse in einer anderen als in der vermeintlichen Wochenzeitung erschienen ist, erfährt er erst anhand eines Belegexemplars. Diesem Blatt, so schreibt er dem Presserat, hätte er nie ein Interview gegeben, da er bereits die Verbindung seines Namens mit dieser Zeitung geradezu als rufschädigend ansehe. Auch sein Vorgesetzter habe zuvor ein Interview mit Vertretern dieser Zeitung abgelehnt. Der Geschäftsführer der Wochenzeitung trägt vor, es gebe in seinem Blatt grundsätzlich keine Interviews, die nicht vom Interviewpartner autorisiert worden seien. So habe es sich auch im vorliegenden Fall verhalten. In einer eidesstattlichen Versicherung schildert der Mitarbeiter, der das Interview mit dem Wissenschaftler geführt hat, die näheren Umstände des Zustandekommens des Interviews aus seiner Sicht. Er habe sich der Telefonvermittlung des Instituts mit seinem Namen und dem Namen seiner Zeitung vorgestellt und um ein Gespräch mit dem Institutsleiter gebeten. Statt dessen habe sich aber überraschend der Beschwerdeführer gemeldet. Der Autor räumt ein, dass es durchaus möglich sei, dass er sich dem Mitarbeiter des Professors nicht mehr vorgestellt habe, da er ihn ja auch gar nicht habe sprechen wollen. Der Betroffene habe sich sofort ohne weitere Nachfrage sehr entgegenkommend bereit erklärt, als Vertretung für seinen Vorgesetzten ein Interview zu geben, da dieser verreist sei. Der Text sei dem Interviewpartner am nächsten Tag zur Ansicht gefaxt und von diesem ordentlich autorisiert worden. Da es sich bei dem gefaxten Text um ein Arbeitspapier gehandelt habe, habe er es nicht für nötig gehalten, einen Kopfbogen der Zeitung zu verwenden. Schließlich kennzeichne das Faxgerät ja alle Ausgänge sowieso automatisch. Dass die Faxkennung in dieser Woche ausgefallen war, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der Autor sieht es als seinen moralischen Fehler an, gegenüber dem Beschwerdeführer nicht nachdrücklich auf Klärung der Situation bestanden zu haben. Allerdings sehe er sich als sachlich unschuldig, da keinerlei Täuschungsabsicht bestanden habe. Da der Beschwerdeführer keinerlei Fragen mehr gestellt habe, habe er davon ausgehen können, sein Gesprächspartner sei durch seine Sekretärin ausreichend informiert worden. (2000)