Kriegsverbrechen
Unter der Überschrift “Die Mühlen mahlen langsam” berichtet eine Illustrierte über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen ehemaligen Bundesminister wegen des Verdachts des vielfachen Mordes im Zweiten Weltkrieg. In diesem Zusammenhang werden verschiedene als Vermutungen gekennzeichnete Vorwürfe gegen den inzwischen 91jährigen geschildert und gleichzeitig über zwei alte Verfahren in der Bundesrepublik und ehemaligen DDR berichtet. Das Oberste Gericht der DDR verurteilte den Mann 1960 in Abwesenheit zu lebenslangem Zuchthaus, ein paralleles Verfahren der Staatsanwaltschaft Bonn wurde “wegen fehlenden Tatverdachts” eingestellt. Ende 1993 kassierte das Landgericht Berlin den alten DDR-Spruch als “rechtsstaatswidrig”. In dem Artikel heißt es weiter, dass das kürzlich eingeleitete Verfahren auf Unterlagen basiere, die in dem früheren Ostberliner Prozess nur zum Teil eine Rolle gespielt hätten. Gleichzeitig wird auf ein Dossier der Ermittler von Januar 1996 hingewiesen, in dem eine “besonders abscheuliche Tat” dokumentiert wird. Danach soll der damalige Wehrmachtsoffizier im Kaukasus einer gefangenen Lehrerin befohlen haben, “über ihre Verbindungen zu Partisanen” zu berichten. Sie habe, obschon sie ausgepeitscht worden sei, geschwiegen. Dann habe er “ihr in die rechte Brust” geschossen und sie “im Sterben liegengelassen”, heißt es weiter. Am Ende des Artikels kommt der Betroffene selbst zu Wort und erklärt, er habe mit dieser Tat nichts zu tun, dies sei eine “alte sowjetische Lüge”. Er selbst sei “mit der Waffe nur Personen gegenübergetreten, die selbst eine trugen”. Ein Leser der Zeitschrift, Student der Geschichtswissenschaften, und ein Rechtsanwalt im Auftrag des Betroffenen legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Der Beitrag enthalte mehrere falsche Behauptungen und sei schlecht recherchiert. Durch die Entstellung der Wahrheit werde gegen den alten Herrn eine verleumderische und ehrabschneidende Schmutzkampagne eingeleitet. Der Anwalt weist darauf hin, dass kein Ermittlungs-, sondern lediglich ein Vorermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten laufe. Es gebe auch keine neuen Unterlagen bzw. Vernehmungsprotokolle, die nicht schon 1960 verwendet worden seien. Auch die beschriebene “abscheuliche Tat” sei bei den Ermittlungen in den Jahren 1960 und 1961 bereits Gegenstand der Untersuchungen gewesen. Das in dem Bericht erwähnte Dossier der Ermittler existiere nicht. Die Zeitschrift hält den Fall zeitgeschichtlich und politisch für einen der bemerkenswertesten in der jungen Bundesrepublik. Daher bestünde an der Berichterstattung darüber ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die neuerliche Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens rechtfertige auch eine öffentliche Mitteilung mit Namensnennung. Zudem sei der Betroffene vor der Veröffentlichung zu dem konkreten Vorwurf ausdrücklich befragt worden. Der Wortlaut seines Dementis sei persönlich mit ihm abgestimmt worden. Entgegen der Aussage des Anwalts laufe zur Zeit tatsächlich ein Ermittlungsverfahren. Das Vorermittlungsverfahren sei bereits mit dem im Artikel erwähnten Dossier der Ermittler als Resultat abgeschlossen worden. (1996)