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Drogen

“Am Gymnasium ist von Hasch bis Heroin alles zu bekommen” und “Am Gymnasium floriert der Drogenhandel” verkündet die örtliche Zeitung. Sie berichtet, dass bis zu 200 Schüler regelmäßig Rauschgift nehmen. In einem Foto werden die Fahrradständer der Schule gezeigt. Hier sei der Platz, so die Zeitung, wo mit Drogen gehandelt werde. Einige Tage später erscheint ein Kommentar im Blatt. In der Überschrift heißt es u.a. “Wie man ein Drogenproblem ‘wegschiebt’, indem behauptet wird, dass der Direktor des Gymnasiums ein ‘Lügner’ sei”. Der Leiter der Schule wendet sich an den Deutschen Presserat. Er ist der Ansicht, dass in dem Artikel unbestätigte Vermutungen als Fakten dargestellt werden. Das Foto, ohne seine Genehmigung aufgenommen, erwecke den Eindruck, dass Schüler Drogendealer seien. Ferner kritisiert er die Behauptung, dass er selbst ein “Lügner” sei. Die Redaktion teilt mit, in dem Bericht seien unmittelbare Erfahrungen des örtlichen Pfarrers und des stellvertretenden Bürgermeisters wiedergegeben worden. In der Folge sei auch die Leiterin einer Grundschule zu Wort gekommen, deren Sohn vor Jahren die Schule besucht habe und dort mit Drogen in Berührung gekommen sei. Sie habe den Schulleiter wiederholt über den Drogenhandel in seinem Gymnasium informiert. Sie sei von Schülerinnen, die dort zur Schule gehen, darüber informiert worden. Der Vorwurf des Schuldirektors, das dem Bericht beigestellte Foto sei manipuliert, entbehre jeder Grundlage. Das Foto sei im Einverständnis mit den darauf abgebildeten Schülern gemacht worden, die darüber informiert waren, für welche Zwecke das Bild verwendet werden sollte. Auch Schulleitung und der Kontaktlehrer für Drogenfälle hätten Bescheid gewusst, denn der Fotograf hätte seine Absicht bekundet, einen Bericht über die Drogenprobleme in der Schule zu illustrieren. Vom Aufnahmetag bis zur Veröffentlichung seien drei Wochen vergangen, in denen die Schule genügend Zeit gehabt hätte, bei der Redaktion zu protestieren. Ein solcher Protest sei jedoch nicht erfolgt. Bei der Recherche sei auch der Schulleiter zu den Vorwürfen befragt worden. Doch der habe außer einem “allgemeinen Lamentieren” nichts zu sagen gehabt. Ferner habe die Zeitung Eltern und Schüler befragt. Die Erfahrungen und Vorwürfe des Pfarrers seien von ihnen voll bestätigt worden. Doch hätten alle aus Angst vor Repressalien unerkannt bleiben wollen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion habe der zuständige Redakteur seinen Vorwurf, der Schulleiter sei ein “Lügner”, zurückgenommen. Abschließend weist die Zeitung darauf hin, dass sie allen Beteiligten trotz “teilweise haarsträubender Polemik” mehr als ausreichenden Platz eingeräumt habe, ihre Sicht der Dinge darzulegen. (1997)