Arzt unter dem Verdacht der fahrlässigen Tötung
Totenscheine tragen nicht seine Unterschrift
Unter der Überschrift “Schnelle Messer, volle Betten” berichtet ein Nachrichtenmagazin unter voller Namensnennung über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen einen Chefarzt wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung von Patienten. In dem Beitrag werden diverse Fälle von fragwürdigen Operationen geschildert. Des weiteren wird der Vorgänger des Arztes zitiert, der gesagt haben soll, dass bei früheren Operationen des betroffenen Arztes “das Blut nur so gespritzt sei”. Auch der unter Verdacht geratene Mediziner kommt mit folgender Feststellung zu Wort: “Als ich vor zwei Jahren nach ... (Sitz des Krankenhauses) kam, fand ich ein Provinzkrankenhaus in tiefem Schlummer, schlecht belegt und mit antiquierten chirurgischen Techniken. Ich habe es aus dem Dornröschenschlaf geweckt.” Der betroffene Mediziner und sein Anwalt legen die Veröffentlichung dem Deutschen Presserat vor. Sie sind der Ansicht, dass die Namensnennung gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt. Die Redaktion habe den Arzt nie befragt, so dass auch das wiedergegebene Zitat falsch sei. Auch die als beispielhaft dargestellten Fälle seien allesamt falsch wiedergegeben worden. Bei keiner der Operationen, denen sein Vorgänger beigewohnt habe, sei Blut gespritzt. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten bislang den Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht bestätigt. Der Beschwerdeführer übermittelt dem Presserat Unterlagen, aus denen nach seiner Ansicht hervorgeht, dass die Behauptung, er habe in den strittigen Fällen die Totenscheine ausgestellt, falsch ist. Die Rechtsabteilung des Verlages erklärt, die Redaktion sei sich sehr wohl bewusst gewesen, dass die Veröffentlichung für den Beschwerdeführer erhebliche Folgen haben könnte. Sie habe deshalb eine ausführliche Recherche durchgeführt, sich sachverständig beraten lassen und sich intensiv um eine Stellungnahme des betroffenen Arztes bemüht. Dabei habe ein ehemaliger Chefarzt, der häufig selbst journalistisch tätig sei, die Redaktion umfassend unterstützt und nach mehrfachen Versuchen den betroffenen Kollegen schließlich telefonisch erreicht. Jener sei aber zu einer Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen nicht bereit gewesen. Er habe lediglich jene Bemerkungen gemacht, die in dem Artikel zitiert worden seien. Unrichtig sei auch die Behauptung, dass im Rahmen der Recherchen nicht mit den Ermittlungsbehörden gesprochen worden sei. Dies sei sehr wohl und sogar sehr intensiv geschehen. Einzelheiten könnten aber aus Gründen des Informantenschutzes nicht genannt werden. Bei der in dem Artikel vorgenommenen Beurteilung ärztlichen Handelns handele es sich durchweg um Meinungsäußerungen und Werturteile. Die Anmerkung, dass Blut gespritzt sei, beruhe auf der Beobachtung des Amtsvorgängers während einer Magenresektion. Dabei seien die Blutgefäße schlicht durchtrennt worden. Die Ermittlungen gegen den Chefarzt seien dadurch ausgelöst worden, dass auf einer Reihe von Totenscheinen jeweils natürliche Todesursachen genannt, die vorangegangenen Operationen aber nicht erwähnt wurden. Die Totenscheine seien – davon gingen auch die Ermittlungsbehörden aus – vom Beschwerdeführer zu verantworten. Hinsichtlich der dargelegten Operationen sei die Redaktion aufgrund medizinischer Fachberatung zu dem Ergebnis gelangt, dass sie alle aus medizinischer Sicht fragwürdig waren. Die zuständige Staatsanwaltschaft teilt dem Presserat auf Anfrage mit, dass in dem Ermittlungsverfahren drei Todesbescheinigungen vorliegen, die nicht von dem Beschuldigten ausgestellt seien. Ob er diese Bescheinigungen zu verantworten habe, könne nicht gesagt werden, da dazu keine Ermittlungen geführt worden seien. Grundsätzlich habe jedoch der Arzt, der die Todesbescheinigung ausstellt, den Inhalt zu verantworten. (1998)