Begriffsbestimmung
Ist die Beruhigungsspritze vor der Todesspritze schon eine Giftspritze?
Unter der Schlagzeile „Acht Kugeln und zwei Giftspritzen – Der langsame Tod eines Kampfhundes“ schildert eine Boulevardzeitung ein Tierdrama auf der Straße: Ein American Staffordshire-Terrier rennt zähnefletschend auf eine Rentnerin zu und schnappt sich deren Kavalier-King-Charles-Hund. Der stellt sich auf Zuruf seiner Herrin tot und wird von dem Kampfhund zur Seite geworfen. Inzwischen ist bei der Polizei ein Notruf eingegangen. Ein Polizist erscheint und schießt dreimal auf den Hund. Doch das Tier läuft weg. Der Beamte schießt noch fünfmal und trifft den Hund am Kopf. Ein Tierarzt gibt dem todwunden Hund eine Spritze, nach 15 Minuten eine zweite. Erst jetzt ist das Tier tot. Nach Darstellung der Zeitung waren es Giftspritzen. Ein Rechtsanwalt und Hundefreund recherchiert und erfährt bei der zuständigen Tierärztekammer, dass bei der Euthanasie des Hundes zunächst ein Narkosemittel zur Beruhigung und anschließend erst das Mittel zur Euthanasie gespritzt worden ist. Er teilt das Ergebnis seiner Recherche dem Deutschen Presserat mit. Durch die Behauptung der Zeitung, der Hund habe zwei Giftspritzen erhalten, werde der falsche Eindruck der Zählebigkeit erweckt, der bei den Lesern entsprechende Vorurteile wecke. Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Ansicht, dass die Unterscheidung zwischen Beruhigungs- und Giftspritze haarspalterisch sei. Bereits die erste Spritze habe auf den Tod des Hundes hingewirkt, da sie nicht lebensrettend eingesetzt worden sei, sondern als Vorbereitung auf die Giftspritze gedient habe. (2001)