Vorverurteilung
Eine Wochenzeitung berichtet über ein Strafverfahren gegen einen Polizeibeamten, dem vorgeworfen wird, während eines Vorfalles in seiner Freizeit Polizeibeamten im Einsatz Widerstand geleistet zu haben. Der Polizist in Zivil hatte eine Polizeistreife, In eine Gaststätte gerufen, in die sich eine Ehefrau vor: ihrem rabiaten Ehemann geflüchtet hatte. Da die Streife erst spät anrückte und schlechte Arbeit leistete, stellte sie der Kollege in Zivil zur Rede, bezog dafür aber angeblich Prügel. Die Zeitung schildert' die Hintergründe aus der Sicht des misshandelten Polizeibeamten; der nun wegen Widerstandes vor Gericht steht. Sie stellt fest: »Dass Otto Normalverbraucher schon mal Opfer von Übergriffen der Polizei wird, hört man immer wieder. Genau solches passiert jetzt einem Uniformträger.« Auch eine zweite Zeitung' nimmt sich des Falles an. Unter der Überschrift »Polizist von Kollegen verprügelt: Nun ist er angeklagt - Misshandelter Beamter wollte doch nur helfen« ergreift sie Partei für den Angeklagten: »Zwei Kollegen schlugen ihn vor dem Lokal nieder, verletzten ihn erheblich und zeigten ihn auch noch an - wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt.« Weiter heißt es: »Einer der beiden Beamten ist als >wilder Polizist< bekannt-berüchtigt. Der zuständige Polizeipräsident schaltet den Deutschen Presserat ein. Sein Vorwurf: Beide Zeitungen beziehen schon durch ihre' Überschriften unzulässig präjudizierend Stellung und greifen damit massiv in ein schwebendes Gerichtsverfahren ein. (1995)