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Identifizierbarkeit in einem Todesfall

Mutmaßungen über die Ursache des Todes eines Hotelpächters

Eine Lokalzeitung berichtet in zwei Beiträgen über den Tod eines 46jährigen Mannes nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin. Im ersten Artikel verweist die Zeitung auf eine Mitteilung der Ermittlungsbehörden, wonach gegen die Frau ein Verfahren wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts eingeleitet werde. Da nach Angaben der Staatsanwaltschaft die genaue Todesursache nicht bekannt sei, sei eine Obduktion veranlasst worden. Klar sei jedoch, dass die tätliche Auseinandersetzung zum Tod des Mannes geführt habe. Äußere Gewalteinwirkung sei nicht zu erkennen. Schließlich weist die Zeitung darauf hin, dass es sich bei dem Paar um die Pächter eines Hotels handele. Dabei werden der Name des Hotels und der Ort genannt. Einen Tag später teilt die Zeitung mit, der Mann sei nicht durch direkte Gewalteinwirkung gestorben. Es habe einen Streit gegeben, in dessen Verlauf der Mann eine Platzwunde erlitten habe. Die Frau sei wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Vermutlich werde gegen sie eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Auch in diesem Beitrag wird erwähnt, dass es sich bei den Betroffenen um die Pächter des genannten Hotels handele. Ein Leser des Blattes, Eigentümer des Hotels, wirft der Zeitung in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat vor, aus dem Vorgang in reißerischer Art und Weise einen Gattenmord zu machen. Tatsächlich sei der Mann an den Folgen einer Krankheit gestorben, an der er lange gelitten habe. Er sei erst wenige Wochen zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden. Auch nach dem offiziellen Bekannt werden der Wahrheit habe die Redaktion sich nicht verpflichtet gesehen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Der Tenor der Richtigstellung im zweiten Beitrag sei von keinerlei Bedauern über die erste Veröffentlichung geprägt, sondern von weiteren unterschwelligen Beschuldigungen. Beim Leser halte sich der Eindruck, dass die Frau den Tod ihres Partners bewirkt habe. Zudem kritisiert der Beschwerdeführer den Hinweis, dass es sich bei den Betroffenen um die Pächter seines Hotels handele. Durch diese klare Identifizierung komme der Artikel einer öffentlichen Hinrichtung gleich. Auf Grund der Schlamperei bei der Recherche trage die Frau das Brandmal der Mörderin. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, aus der Pressemitteilung der Polizei gehe eindeutig hervor, dass sich bei dem Vorfall um ein Tötungsdelikt nach einer tätlichen Auseinandersetzung handele. In dem genannten Ort gebe es nur ein Hotel. Es sei jedem Menschen im Ort bekannt, dass es dort einen Todesfall gegeben habe, in dem die Polizei ermittele. (2003)