Identifizierbarkeit eines Straftäters
41jähriger Vater von vier Kindern in seinem Umfeld erkennbar
Eine Lokalzeitung teilt ihren Lesern mit, die Stadtverkehrsgesellschaft habe sich von ihrem Geschäftsführer getrennt, nachdem dieser wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden sei. In dem Artikel wird erwähnt, dass der Betroffene 41 Jahre alt und Vater von vier Kindern ist. Ein Leser der Zeitung wendet sich an den Deutschen Presserat. Er kritisiert eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kinder und der Ehefrau des Mannes. Als Nachbar der Familie und Vater zweier Töchter, die mit zweien der Kinder des Betroffenen Kontakt hätten, habe er das nach der Zeitungsmeldung eingetretene Stigmatisierungs- und Vernichtungsgefühl der Kinder und der Mutter unmittelbar erfahren. Am selben Tag habe eine Konkurrenzzeitung über den Fall berichtet. Dies sei in knapper, sachlicher Weise ohne ein Outing von Kindern und Ehefrau geschehen. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf zurück, die Veröffentlichung habe die Persönlichkeitsrechte der Familienangehörigen verletzt. Es seien weder der Name des verurteilten Geschäftsführers noch Namen seiner Opfer bzw. der Angehörigen veröffentlicht worden. Der Betroffene sei auch auf Grund der Berichterstattung nicht ohne weiteres zu identifizieren, da keinerlei Angaben zu seinem Wohnort gemacht und auch keine Fotos veröffentlicht worden seien. Eine zweifelsfreie Identifizierung des Mannes auf Grund des Hinweises, dass der ehemalige Geschäftsführer der Stadtverkehrsgesellschaft 41 Jahre alt sei und vier Kinder habe, sei für den durchschnittlichen Leser der Zeitung nicht möglich. Auch eine Identifizierung durch die Nachbarn sei nur dann denkbar, wenn diese per se über die näheren Lebensumstände des Betroffenen informiert seien. In diesem Fall sei es aber mehr als wahrscheinlich und entspreche der Lebenserfahrung, dass sich die Situation des Mannes auch ohne eine entsprechende Berichterstattung herumgesprochen hätte. Ein Verstoß gegen das Anonymisierungsgebot liege aus diesen Gründen nicht vor. (2003)