Identifizierbarkeit einer vergewaltigten Frau
Darstellung von Details verletzt zugleich Intimsphäre
In zwei Beiträgen innerhalb einer Woche berichtet eine Lokalzeitung über einen 49jährigen Mann, der wegen der zweifachen Vergewaltigung einer Frau zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden ist. In beiden Artikeln wird erwähnt, dass das Opfer, eine Bekannte des Täters, 46 Jahre alt und von Beruf Kinderärztin sei, zum Zeitpunkt der Tat mit einem ukrainischen Bildhauer verheiratet gewesen sei und selbst auch aus der Ukraine stamme. Zudem sei ihre Abschiebung in die Ukraine auf Grund eines Kirchenasyls verhindert worden. In dem Bericht über den Verlauf der Gerichtsverhandlung wird auch der 12jährige Sohn der betroffenen Frau, der die erste Vergewaltigung miterlebt hatte, mit Details seiner Beobachtungen zitiert. Ein Ehepaar, mit dem Opfer bekannt, legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Es ist der Ansicht, dass die Frau durch die Veröffentlichung identifizierbar wird. Sie fühle sich nun zum zweiten Male gedemütigt. Die Beschwerdeführer fragen sich, welche Frau nach Erscheinen dieses Artikels noch den Mut aufbringe, sich gegen den Übergriff eines Mannes juristisch zu wehren. Die Rechtsabteilung des Verlages betont in ihrer Stellungnahme, dass die Entwicklung, die dem Strafverfahren zu Grunde gelegen habe, in der erschienenen Form dargestellt werden musste. Dies gelte insbesondere für die Tatsache, das dem Opfer und seiner Familie seinerzeit Kirchenasyl gewährt worden sei, auch wenn dieser Vorgang mehr als sechs Jahre zurückliege. Nur so werde der Öffentlichkeit der Hintergrund für die skrupellosen und menschenverachtenden Erpressungen der Frau durch den Angeklagten deutlich. Auf Grund der existenziellen Angst des Opfers, dem eine Abschiebung drohte, sei auch nur zu erklären, dass die Frau sich nach der ersten Vergewaltigung ein zweites Mal mit dem Angeklagten in einem Hotel getroffen habe. Eine namentliche Nennung sei ausdrücklich nicht erfolgt, dies gelte auch für eventuelle Abkürzungen. Eine offensichtliche Erkennbarkeit sei daher nicht gegeben. Alleiniger Anknüpfungspunkt könne allenfalls der Vorfall um das Kirchenasyl sein.