Vorverurteilung
Politiker wird Handel mit Kinderpornografie unterstellt
Unter der Dachzeile „Ex-Chef der SPD-Schwusos hinterließ bei Handel mit Kinderpornografie Spuren“ berichtet eine Sonntagszeitung über den Verdacht gegen einen früheren Bürgerschaftsabgeordneten, mit Kinderpornos gehandelt zu haben. In dem Beitrag wird erwähnt, dass der Betroffene im Internet angegeben habe, auf der Suche nach Männern zwischen 16 und 30 zu sein. Die Zeitung zitiert einen anonymen Kenner der Schwulenszene, dies sei ein deutliches Signal dafür, dass der Politiker auch Kontakt zu unter 16-Jährigen gesucht habe. Der Sprecher eines wissenschaftlich-humanitären Komitees sieht in der Veröffentlichung eine Vorverurteilung und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Durch das Zitat eines anonymen „Experten“ werde suggeriert, dass der Politiker sich möglicherweise an minderjährigen Jungen vergangen habe. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf die Recherchen eines Mitarbeiters, wonach sich weder Partei noch Fraktion dezidiert hinter den Betroffenen gestellt hätten. Der SPD-Fraktionschef habe vielmehr die Beweislast gegen den Parteifreund als „erdrückend“ angesehen und die Geschichte für „nahezu wasserdicht“ gehalten. Als ehemaliger Richter am Verwaltungsgericht habe er dies beurteilen können. Er habe jedoch die Verwertung seiner Information davon abhängig gemacht, dass sein Name nicht auftauche. Schließlich sei der Mitarbeiter im Internet fündig geworden. Ein Kollege habe ihn darauf hingewiesen, dass er von mehreren Insidern der homosexuellen Szene informiert worden sei, dass die Suche nach 16-Jährigen als Indiz dafür gelte, dass mögliche Sexualpartner auch gerne jünger sein dürfen. Die umfangreiche Recherche sei der Redaktion aussagekräftig genau erschienen, um dem Vorwurf der Vorverurteilung zu entgehen. Auch beim Redigieren sei Wert darauf gelegt worden, die Unschuldsvermutung im Text bestehen zu lassen. Die Grenze zwischen Verdacht und erwiesener Unschuld werde in dem Beitrag nicht verwischt.(2003)