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Diskriminierung von Asylbewerbern

Ohne Tatsachenbezug Asyl- und Sozialbetrug unterstellt

In zwei Beiträgen prangert ein Boulevardblatt eine sechszehnköpfige Familie, deren Antrag auf Asyl abgelehnt worden sei, als “Asyl-Abzocker” an. Der “Clan Al Z.” stehe unter dem Verdacht des Sozialhilfebetrugs. Die Familie habe in den vergangenen 15 Jahren – so die Zeitung – rund eine Million Euro an Sozialhilfe kassiert, bewohne ein schmuckes Reihenhaus und terrorisiere dessen Umgebung. Die Tatsache, dass das Gesundheitsamt die Mutter wegen eines Traumas krank geschrieben hatte, wurde von der Zeitung als juristischer Trick gewertet, eine Abschiebung zu verhindern. Die Sozialbehörde zahle der Familie zur Zeit 8000 Euro Sozialhilfe im Monat, während die erwachsenen Kinder inzwischen “standesgemäß” Luxusautos führen. “Hoffentlich nicht mehr lange”, schließt das Blatt seinen Beitrag, dem ein Foto des Hauses, in dem die Familie wohnt, beigestellt ist. Im Text wird auch die Adresse der betroffenen Familie genannt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Hetze, die zu Übergriffen aus der Bevölkerung führen könne. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat bezweifelt er, dass der Wahrheitsgehalt dieser Darstellung mit der notwendigen Sorgfalt geprüft worden sei. Die Rechtsabteilung des Verlages verweist in ihrer Stellungnahme auf einen Hilferuf, den Bewohner der Straße an das zuständige Ordnungsamt gerichtet hätten. Auch der Bürgerschaft der Stadt seien die unhaltbaren Zustände in der Straße zur Kenntnis gegeben worden. Die Redaktion habe in der Sache sorgfältig recherchiert und mit ihrer Berichterstattung einem öffentlichen Interesse entsprochen. (2003)