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Ethnische Gruppen

Verhaftung im Gerichtssaal rechtfertigt Nennung der Ethnie

Eine 19 Jahre alte „Zauberin“ steht vor Gericht, wird noch vor ihrer Verurteilung in einer anderen Sache verhaftet, erhält wegen Beihilfe zum Betrugsversuch eine Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, spricht daraufhin gegen den Vorsitzenden Richter Morddrohungen aus. Die Zeitung am Ort berichtet über das Strafverfahren. Danach soll die Angeklagte einer Bekannten, die wie sie der Volksgruppe der Sinti angehöre, beigestanden haben, eine verwirrte Frau gegen Zahlung von 2.500 Euro von einem angeblichen Fluch zu befreien, der auf ihr laste. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex und erinnert in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat an einen Erlass von Reichsinnenminister Wilhelm Frick, der am 7. Dezember 1935 angeordnet habe, „bei allen Mitteilungen an die Presse über Straftaten von Juden die Rassenzugehörigkeit hervorzuheben“. Die Chefredaktion der Blattes verwahrt sich in ihrer Stellungnahme gegen den Versuch der Beschwerdeführer, einen Zusammenhang zwischen dem erwähnten Erlass aus dem Jahre 1935 und dem beanstandeten Artikel herzustellen. Ihre Zeitung sei unabhängig und überparteilich, wende sich gegen alle rechts- und linksextremen Tendenzen und trete für die Menschen- und Grundrechte ein. Die Zugehörigkeit der beiden Täterinnen zur Volksgruppe der Sinti sei nur einmal im Text erwähnt, zudem weder in der Überschrift noch in der Unterzeile enthalten. Es werde sachlich und keinesfalls reißerisch aus einem öffentlichen Gerichtsverfahren berichtet. Darüber nicht zu berichten, käme nach Ansicht der Redaktion schon einer Form von Selbstzensur gleich. Insgesamt hält die Chefredaktion die Beschwerde deshalb für unbegründet. Gleichwohl nimmt sie den Vorgang zum Anlass, die angesprochene Thematik in den Redaktionen zu diskutieren. (2003)