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Vorverurteilung eines Terrorverdächtigen

Tatsachenbehauptungen in Überschrift und Unterzeile

Eine Tageszeitung behauptet, ein in Hamburg lebender 29jähriger Marokkaner habe der Terrorzelle angehört, die am 11. September 2001 den Anschlag auf das World Trade Center in New York verübt hat. In der Überschrift des Artikels wird der Verdächtige als „Terrorist“ bezeichnet. In der Unterzeile wird festgestellt, er sei ein Komplize von Mohammed Atta, einem der „Terrorpiloten“, gewesen. Zudem wird ein Foto des Mannes veröffentlicht. Auch sein voller Name wird genannt. Ein Leser des Blattes sieht in dem Beitrag eine Vorverurteilung und trägt seine Bedenken dem Deutschen Presserat vor. Dies sei mindestens der dritte Fall im Verlauf des letzten Jahres, in dem die Zeitung Personen, gegen die in Zusammenhang mit dem 11. September 2001 in Hamburg ermittelt werde, zu Terroristen abstempele, beanstandet er. Ein in Hamburg arbeitender Wissenschaftler aus dem Sudan habe heute noch unter unberechtigten Vorwürfen zu leiden und einer arabischen Buchhandlung sei nach Veröffentlichungen in der Morgenpost der Mietvertrag gekündigt worden. Die Chefredaktion der Zeitung verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Berichterstattung unter dringendem Tatverdacht gestanden habe. Mit Hilfe des Konjunktivs habe der Autor Vermutungen als solche erkennbar gemacht. (2002)