Ehrverletzung
Tierschützer fühlten sich in eine rechte Ecke gedrängt
In einer süddeutschen Stadt gingen Bürger auf die Straße. Sie waren dem Aufruf von Tierschützern gefolgt, gemeinsam mit einem Fackelzug gegen die Schlachtmethode des Schächtens zu protestieren. Beim Schächten nach jüdischer und muslimischer Tradition sind Rinder, Schafe oder Ziegen nicht betäubt, wenn ihnen mit einem Messer Halsarterien, Luft- und Speiseröhre durchtrennt werden. Die örtliche Zeitung äußerte sich zum Thema in zwei Meinungsartikeln. In beiden wurde ein Zusammenhang mit Vorgängen in der Nazi-Zeit hergestellt. Zwei Leser und der örtliche Tierschutzverein sind der Ansicht, dass dadurch die Ehre von Normalbürgern verletzt worden sei, die sich im Tierschutz engagieren, und beschwerten sich beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, dass es dem Autor nicht darum gegangen sei, die Tierschützer in eine rechte Ecke zu stellen. Er habe es jedoch als seine Aufgabe angesehen, an die Geschichte der Fackelzüge zu erinnern. Es komme ja nicht jeden Tag vor, dass in der Stadt Fackelzüge stattfänden. Der Autor selbst sagt, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schächten bekannt geworden sei, hätten Briefe mit zweifelsfrei antisemitischem Inhalt die Redaktion erreicht. Daraufhin habe er in einer Glosse darauf hingewiesen, dass es bis 1933 selbstverständlich deutsche Metzger jüdischen Glaubens gegeben habe, die in Deutschland geschächtet hätten. Er – der Autor – sei kein Anhänger des Schächtens, weise aber darauf hin, dass auf dem Land Schafe auch von Protestanten und Katholiken geschächtet würden. Die Chefredaktion teilt schließlich mit, dass der Meinungsbeitrag über den Fackelzug erhebliche Aufregung in Tierschützerkreisen ausgelöst habe. Für die Zeitung sei es selbstverständlich gewesen, eine Reihe von Leserbriefen zum Thema zu veröffentlichen, darunter auch solchen, die durchaus nicht der Meinung des Verfassers gewesen seien. (2002)