Diskriminierung von Sinti und Roma 16
Nennung der ethnischen Zugehörigkeit im Interesse hilfsbedürftiger Flüchtlinge zulässig
„Plan gegen kriminelle Roma-Familien“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über politisch-rechtliche Schritte gegen die steigende Kriminalität in einer deutschen Großstadt. In einer gemeinsamen Erklärung von Polizei und Oberbürgermeister, die von der Zeitung zitiert wird, heißt es: „Seit Beginn des Jahres ziehen verstärkt illegal Roma-Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien nach …“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex. Die Minderheiten-Kennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Er schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung des Verlags erklärt, in dem Artikel werde nicht über eine konkrete Straftat berichtet. Vielmehr habe sich der Beitrag mit der allgemeineren und zugleich dringenderen Problematik, nämlich dem erheblichen Anstieg der Kriminalität in der Stadt, den vermuteten Ursachen und den geplanten Gegenmaßnahmen der städtischen Behörden, beschäftigt. An der Berichterstattung über diese Probleme bestehe ein hohes öffentliches Interesse. Die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden habe man so darstellen müssen, um nicht alle Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien in falschen Verdacht zu bringen. Die Gruppe der mutmaßlich kriminellen Einwanderer sei daher von der Gruppe der tatsächlich hilfsbedürftigen Flüchtlinge abzugrenzen gewesen, auch wenn dies gleichzeitig bedeute, sie zugleich als Angehörige einer ethnischen Minderheitengruppe zu nennen. (2001)