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Leserbrief inhaltlich verändert

Statt eines Politikers wird eine unbestimmte Zahl beschuldigt

Eine Bürgerin einer Stadt, die zu einer türkischen Stadt partnerschaftliche Beziehungen unterhält, ärgert sich darüber, dass ihre Verdienste um das Zu Stande kommen dieser Partnerschaft bei deren zehnjährigem Bestehen mit keinem Wort erwähnt werden. Sie schickt an die Zeitung am Ort einen Leserbrief und ärgert sich noch einmal, als sie den gedruckten Brief liest, denn die Redaktion hat ihren Text in einem Punkt verändert. Sie hatte einen heimischen Politiker mit Namen genannt, der mit seiner Frau jedes Jahr kostenlosen Urlaub im Gästehaus der türkischen Partnerstadt mache und sich dort noch rühme, er habe die Städte-Freundschaft in die Wege geleitet. Statt dieser Formulierung findet sich jetzt die Anmerkung in den Brief, dass jedes Jahr Politiker der Stadt dort ihren Urlaub machen und alle jetzt von der Stadt für besondere Verdienste um die Städtepartnerschaft geehrt werden. Ein Landtagsabgeordneter und eine Ratsfrau aus der betroffenen Stadt tragen den Vorgang dem Deutschen Presserat vor. Die Zeitung habe den Leserbrief nicht nur gekürzt, sondern auch inhaltlich verfälscht. Durch das Weglassen des Politikernamens, den die Autorin des Leserbriefes gemeint habe, habe die Lokalredaktion billigend in Kauf genommen, dass die Beschuldigungen gegen andere Politiker – auch die Beschwerdeführer – umgemünzt werden. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer SPD-Mitglieder seien und die Zeitung sich in letzter Zeit durch nicht sachgerechte Berichterstattung gegenüber Teilen der SPD hervorgetan habe, müsse davon ausgegangen werden, dass bewusst eine Sinn entstellende Änderung des Leserbriefes erfolgt sei, um damit den Beschwerdeführern vorsätzlich zu schaden. Die Redaktionsleitung des Blattes weist diese Vorwürfe zurück. Richtig sei, dass der Leserbrief gekürzt, abwegig sei jedoch, dass der Brief inhaltlich verfälscht worden sei. Der Name des Politikers, den die Leserbriefschreiberin in Zusammenhang mit dem Vorwurf der Vorteilsnahme genannt habe, sei bewusst weggelassen worden, um den Leserbrief zu „entschärfen“. Diese Veränderung sei notwendig gewesen, weil die Behauptung der Leserbriefschreiberin nicht hätte ungeprüft veröffentlicht werden dürfen. (2002)