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Intimsphäre einer Kranken verletzt

Zeitschrift beschreibt die Krankheit der Mutter eines TV-Stars

Unter der Überschrift „Mann mit Herz“ stellt eine Zeitschrift fest, dass ein bekannter deutscher Fernsehmoderator auch in punkto Mitgefühl ein Ass sei. In dem Beitrag wird positiv über das soziale Engagement des TV-Unterhalters berichtet und hervorgehoben, dass er sich auch liebevoll und besorgt um seine Mutter kümmere. Diese habe in den letzten Jahren immer öfter geistige Aussetzer gehabt. Schließlich habe sich die Befürchtung zur Gewissheit verdichtet, dass sie an Alzheimer leide. Irgendwann habe sie ihren Sohn nicht mehr erkannt. Der Showmaster habe das Unmögliche möglich machen und seine Mutter zu sich nehmen wollen. Doch Ärzte und Freunde hätten ihn umgestimmt. So habe er seine Mama in eine Pflegegruppe gegeben, in die sie sogar ihre Möbel habe mitbringen können. Er besuche sie dort ganz oft. Denn von ihm zu ihr seien es nur 24 Minuten, habe er gestoppt. Dem Artikel beigestellt sind zwei Bilder. Beide zeigen den Moderator, einmal zusammen mit seiner Lebensgefährtin, dann in jungen Jahren mit seinen Eltern auf der Gartenterrasse. Der Anwalt von Mutter und Sohn beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat Verletzungen des Privat- und Intimlebens. Die detaillierte Schilderung der Alzheimer-Erkrankung der Mutter und deren Unterbringung verstoße gegen die Richtlinien 8.2 und 8.4, wonach Pflege-, Kur- und Rehabilitationsorte besonderen Schutz genießen und Krankheiten in die Geheimsphäre des Betroffenen gehören. Die Berichterstattung darüber sei auch nicht durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt, denn die Mutter des Showmasters sei keine Person der Zeitgeschichte. Das Fotomaterial sei Anfang der 80er-Jahre allein zur einmaligen Veröffentlichung in einer Publikumszeitschrift freigegeben worden. Vor diesem Hintergrund verletze die Veröffentlichung des Artikels und der Bilder auch Ziffer 4 des Pressekodex. Der Anwalt sieht auch die Intimsphäre des Sohnes massiv verletzt. Es sei klar, dass über die Erkrankung der Frau niemals berichtet worden wäre, wenn es sich bei deren Sohn nicht um eine außerordentlich bekannte Persönlichkeit des deutschen Fernsehens handeln würde. Das Ziel der Auflagensteigerung sei unter dem Deckmantel des Mitleides mit dem TV-Star und dessen Mutter verfolgt worden. Das Zitat des Sohnes bezüglich der Entfernung zwischen seinem Haus und dem Heim seiner Mutter sei völlig frei erfunden. Die Beziehung eines Sohnes zu seiner Mutter, insbesondere im Fall der schweren Erkrankung der Mutter, gehöre eindeutig zur Intimsphäre auch des Sohnes. Obwohl es sich bei dem Moderator um eine Person der Zeitgeschichte handeln möge, sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die Erkrankung der Mutter die öffentlichen Interessen berühre. Die Rechtsvertretung des Verlages gesteht ein, dass die Zeitschrift bei ihrer Berichterstattung auf die Zulässigkeit der Vorberichterstattung in anderen Publikationen vertraut habe. Das Terrassenfoto sei regulär von einer Bildagentur in der üblichen Art und Weise angeboten worden. Es habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass dieses Bildmaterial gesperrt sei oder die Rechtssituation unsicher erscheine. Für die Berichterstattung seien Informationen aus vorangegangenen Zeitungsberichten übernommen worden. Diese Informationen seien unbestritten richtig mit Ausnahme des in dem Artikel wiedergegebenen Zitats des TV-Stars „Von uns zu ihr sind es nur 24 Minuten“. Diesbezüglich seien bereits eine Gegendarstellung sowie ein freiwilliger Widerruf gedruckt worden. Da Verlag und Redaktion von Beginn des Konfliktes an darum bemüht gewesen seien, die von dem Moderator zum Ausdruck gebrachte Betroffenheit über die Berichterstattung auszugleichen, seien mehrere Unterlassungserklärungen und Entschuldigungen ausgesprochen worden. Der Anwalt sieht das Motiv der Beschwerde in der Weigerung des Verlages, im Rahmen eines Vergleiches sämtliche geltend gemachten Anwaltskosten des Beschwerdeführers zu erstatten. Diese Anwaltskosten seien neben einem für einen sozialen Zweck zu leistenden Spendenbetrag Bestandteil eines Vergleichsangebots des Beschwerdeführers gewesen. Da die geltend gemachten Anwaltskosten vom Anwalt des Verlages für überhöht gehalten wurden, sei ein Gegenangebot gemacht worden, das einen geringeren Betrag an Anwaltsgebühren, dafür aber einen höheren Spendenbetrag enthielt. Die Summe beider Angebote seien damit wirtschaftlich in etwa gleichwertig gewesen. Der Beschwerdeführer habe diesen Vergleich jedoch abgelehnt. (2003)