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Verdeckte Recherche im Beichtstuhl

Erzbistum beklagt schamlose Preisgabe vertraulicher Gespräche

In einer Zeitschrift beschreibt ein Journalist unter der Überschrift „Die Beichte“ das „Experiment“ einer „Reise durch die Welt der Todsünden und ihrer Vergebung“. Der Autor hatte in den Beichtstühlen fünf verschiedener katholischer Kirchen fingierte Sünden wie Ehebruch, Nötigung zur Abtreibung, Völlerei und Betrug gestanden. In seinem Artikel vergleicht er die Reaktion der jeweiligen Beichtväter, die weder dogmatisch noch uninteressiert oder unprofessionell gewesen seien. Was irdisches Leben zerbrechen lassen könne, sei aber für die mit dem direkten Draht nach oben schnell abgehakt. Spätestens nach 15 Minuten sei – aus kirchlicher Sicht – sein Leben wieder in Butter gewesen, fasst der Rechercheur die Eindrücke seiner Rundreise durch fünf Beichtstühle zusammen. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat bezeichnet der Pressesprecher eines Erzbistums die Preisgabe absolut vertraulicher Gespräche als schamlos. Besonders bedenklich sei die Berichterstattung auch deshalb, weil keiner der Beichtväter sich gegen diese Berichterstattung wehren könne, da er selbst absolut an das Beichtgeheimnis gebunden sei. Die Vorspiegelung einer Beichtsituation allein deshalb, um sie in den Medien zu verbreiten, stelle eine unlautere Methode dar. Eine für viele Menschen wertvolle Einrichtung des Umgangs mit individueller Schuld werde hier im Kern entwertet und öffentlich zur Disposition gestellt. Der sakramentale Charakter der Beichte als Wesensbereich des katholischen Glaubens werde herabgewürdigt und ins Lächerliche gezogen. Die Rechtsabteilung des Zeitschriftenverlags weist alle Vorwürfe kodexwidrigen Verhaltens zurück. In der Beschwerde fehle die schlüssige Begründung dafür, weshalb es dem Beichtenden verwehrt sein solle, über Wahrnehmungen anlässlich seiner Beichte zu berichten. Eine Vertraulichkeit sei schließlich nicht vereinbart worden. Der Beschwerdeführer lasse auch nicht erkennen, welche personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen oder Bilder mit unlauteren Mitteln beschafft worden seien. Hier handele es sich eindeutig um eine Meinungsäußerung in satirischem Gewand, das weder das sittliche noch das religiöse Empfinden verletze. (2003)