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Selbsttötung

Täter für einen engeren Personenkreis identifizierbar

Eine Boulevardzeitung berichtet in großer Aufmachung, dass ein 31jähriger Mann – als Fotograf getarnt – vom Rathausturm gesprungen sei. In dem Artikel heißt es, der verzweifelte Selbstmörder habe keinen Ausweg mehr gesehen, weil seine Frau sich habe scheiden lassen wollen. Beigestellt ist dem Beitrag ein Foto, das die zugedeckte Leiche des Mannes zeigt. Ein Leser des Blattes moniert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass die Zeitung die gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbstmorde missachtet habe. Die Würde des Selbstmörders werde in dieser Darstellung nicht gewahrt. Dies sei um so bedauerlicher, als die Zeitung ein Jahr zuvor in ähnlicher Sache bereits nicht-öffentlich gerügt worden sei. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass sie im Vorfeld der Berichterstattung bei mehreren engen Freunden des Toten recherchiert und dabei erfahren habe, dass es vermutlich aus Anlass der bevorstehenden Scheidung zu der Tat gekommen sei. Die zuständige Polizeidirektion habe bestätigt, dass auch ihre Erkenntnisse in diese Richtung gingen. Die Chefredaktion kritisiert, dass der Beschwerdeführer mit dem Toten nichts zu tun habe. Nach ihrer Ansicht versuche hier ein Dritter ohne jeglichen Bezug zu der Berichterstattung, seine publizistischen Vorstellungen über den Presserat gegen die Redaktion der Zeitung durchzusetzen. Die Berichterstattung befasse sich mit einem Geschehnis der Zeitgeschichte. Der Selbstmörder habe versucht, die größtmögliche Aufmerksamkeit auf seine Tat zu lenken. Er habe sich als Journalist ausgegeben, unter Hinweis auf beabsichtigte Fotoaufnahmen die Pressestelle des Rathauses aufgesucht und sich von deren Mitarbeitern zur Aussichtsplattform des Rathausturms begleiten lassen. Dann habe er sich in die Tiefe gestürzt. Dies sei ein Vorgang, über den – auch fotografisch – berichtet werden dürfe. Dabei habe die Zeitung den Vorgang anonymisiert. Auch auf dem Foto sei der Betroffene nicht identifizierbar. (2003)