Chronistenpflicht
Zeitung durfte den Angeklagten im Mordprozess zitieren
Mordprozess in einer deutschen Großstadt. Eine Boulevardzeitung zitiert den Angeklagten, der in Sicherheitsverwahrung sitzende frühere Anwalt H. habe den ihm zur Last gelegten Mord in Auftrag gegeben. H. ruft den Deutschen Presserat an. Er beschwert sich über die Zeitung, die sich die Aussage des Angeklagten zu eigen gemacht habe. Ein Verfahren, in dem diese Vorwürfe überprüft wurden, sei bereits zwei Jahre zuvor eingestellt worden. Er ist der Ansicht, dass die Zeitung kein Recht hatte, seinen vollen Namen zu nennen, ohne zumindest auf die Verfahrenseinstellung hinzuweisen. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe sich nicht die Aussage des Angeklagten zu eigen gemacht. Die Verfasserin äußere sogar deutliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Der Beschwerdeführer – der einstige Anwalt H. – sei eine „kriminelle Person der Zeitgeschichte“, da er schon mehrfach vor Gericht stand und mittlerweile sogar in Sicherungsverwahrung gehalten werde. Schon im Ermittlungsverfahren sei immer wieder der Verdacht aufgekommen, dass H. der Auftraggeber des wegen Mordes Angeklagten gewesen sei. (2002)