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Identifizierbarkeit einer Angeklagten

Auch ohne Namensnennung im sozialen Umfeld erkennbar

Eine Regionalzeitung berichtet über ein Gerichtsverfahren gegen eine leitende Angestellte, die wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit dreijähriger Bewährungszeit verurteilt worden ist. Die nach eigener Erkenntnis naive und gutgläubige Frau habe nicht nur ihr Hab und Gut geopfert, sondern 145.000 Euro aus der Kasse ihres Arbeitgebers veruntreut, um damit die Befreiung einer Frau mit ihren zwei kleinen Kindern aus der Haft im afrikanischen Benin zu ermöglichen. Die vermeintliche Hilfsaktion sei in Wirklichkeit ein betrügerisches Unternehmen der so genannten „Nigeria-Connection“ gewesen, in deren Fänge die Angeklagte geraten sei. Der Kontaktmann habe sich aus den Niederlanden gemeldet, sich zudem noch als Rechtsanwalt ausgegeben und für die Bezahlung von Schmiergeldern sowie Transportkosten von der Angeklagten ständig Geldbeträge gefordert. Die Zeitung nennt Beruf, Alter sowie Arbeitsort der Betroffenen und erwähnt, dass sie mit einem schwarzafrikanischen Mann verheiratet sei. Die betroffene Frau richtet eine Beschwerde an den Deutschen Presserat. Sie fühlt sich durch die identifizierende Berichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Darüber hinaus hält sie es für ungerechtfertigt, dass ihre finanziellen Verhältnisse ausgebreitet wurden, und sieht die Erwähnung der Tatsache, dass sie mit einem Schwarzafrikaner verheiratet sei, nicht als sachdienlich, vielmehr als Diskriminierung und Verletzung ihrer Intimsphäre an. Der Redaktionsleiter der Zeitung stellt fest, dass im vorliegenden Fall auf die Nennung von Namen verzichtet worden sei. Die Angaben zur Person der Angeklagten seien so weit gehend anonymisiert worden, dass nicht auf ihre Identität geschlossen werden könne. Im Übrigen sei nicht über Privatleben oder Intimsphäre der Beschwerdeführerin berichtet worden, sondern über ein öffentliches Gerichtsverfahren. Die finanziellen Verhältnisse der Angeklagten seien nicht detailliert ausgebreitet worden. Der Staatsanwalt habe lediglich – wohl zur Entlastung der Beschwerdeführerin – über die Modalitäten der Schadensregulierung berichtet. (2003)