Identifizierende Berichterstattung
Betrugsopfer sieht sich „an den Pranger gestellt
„50-jährige wurde Opfer ihrer Hilfsbereitschaft“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über ein Gerichtsverfahren, in dem die Beschwerdeführerin zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass die Frau 145.000 Euro aus der Kasse ihres Arbeitsgebers veruntreut hatte, um damit die Befreiung einer Frau mit ihren zwei kleinen Kindern aus der Haft im afrikanischen Benin zu ermöglichen. Hinter dieser vermeintlichen Hilfsaktion stecke jedoch ein Betrug der so genannten „Nigeria-Connection“. Die Beschwerdeführerin hat den ihrem Arbeitgeber zugefügten Schaden bis auf 26.000 Euro wieder gutgemacht. Sie fühlt sich durch die identifizierende Berichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Durch die Nennung ihrer Arbeitsstelle und ihrer Tätigkeit dort als Geschäftsführerin sei sie für ihr soziales Umfeld eindeutig erkennbar. Darüber hinaus hält sie es für ungerechtfertigt, dass ihre finanziellen Verhältnisse vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wurden. Sie wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Redaktion wollte, so ihre Stellungnahme, vor allem auf die bekannten, kriminellen Machenschaften der „Nigeria-Connection“ hinweisen und mit diesem Beispiel aus dem lokalen Einzugsbereich die Leser vor Nachahmung warnen. Gerade um die Gutgläubigkeit dazulegen, mit der die Beschwerdeführerin dem Betrug aufsaß, seien die finanziellen Details aufgeführt worden, die man wissen müsse, um sich gegebenenfalls gegen eine raffinierte Täuschung zu wehren. In keiner Weise habe die Zeitung die Frau „an den Pranger gestellt“, zumal der Fall in öffentlicher Sitzung des Landgerichts verhandelt wurde und somit Öffentlichkeit hergestellt gewesen sei. (2003)