Vorverurteilung
Zeitung nennt mutmaßlichen Täter Vergewaltiger und Killer
Unter der Überschrift „Der Vergewaltiger – Sein Opfer“ berichtet eine Boulevardzeitung über einen 21-jährigen Mann, der ein 14-jähriges Mädchen in seiner Wohnung zum Sex gezwungen und danach vom Balkon in den Tod gestoßen haben soll. Verdächtiger und Opfer werden in Fotos gezeigt. Beider Vornamen werden genannt. Der Familiennamen des Mannes ist abgekürzt. Gezeigt wird ein Foto des mutmaßlichen Täters mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Baby. In Faksimile ist dem Text ein Liebesbrief beigestellt, den der Mann aus der Untersuchungshaft an seine Freundin geschrieben hat. Im letzten Absatz des Beitrages wird er als „Killer“ bezeichnet. Ein Leser des Blattes sieht die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt und erkennt in der Berichterstattung eine Vorverurteilung. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass der junge Mann inzwischen wegen Mordes verurteilt worden sei. Das Foto mit Freundin und Baby sowie den Liebesbrief habe die Verlobte des Mannes zur Verfügung gestellt. Das Foto des ermordeten Mädchens stamme von dessen Eltern, und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das Bild ohne eine Abdeckung veröffentlicht werden könne. (2002)