Identifizierbarkeit bei Giftanschlag
Betroffener wird durch eine Vielzahl privater Details erkennbar
Unter der Überschrift „Der Mann geht durch die Hölle“ berichtet eine Boulevardzeitung über den Giftanschlag auf einen Arzt und die Folgen für den Betroffenen. Ein Unbekannter habe Anfang März in eine Mineralwasserflasche des Mediziners Gift geschüttet und laufe immer noch frei herum. Der Kardiologe habe mehrere Tage in Lebensgefahr geschwebt und sei jetzt in den Süden geflüchtet. Das Haus, in dem er zur Miete wohne, sei verwaist. Das Blatt lässt einen Diplom-Psychologen zu Wort kommen, der mutmaßt, der arme Mann müsse mit den Nerven am Ende sein. Für ein potenzielles Mordopfer sei die Tatsache, dass der Täter immer noch nicht gefasst sei, eine unerträgliche Situation, denn der Unbekannte könne jederzeit wieder zuschlagen. Er vermute ganz stark, dass es eine Frau sei, denn Giftmorde seien typisch für Frauen. Der Beitrag enthält verschiedene personenbezogene Informationen über den mit vollem Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannten Arzt: seine vollständige Adresse, seine berufliche Tätigkeit als Kardiologe, der Name der Klinik, an der er arbeitet, seine Eigenschaft als ruhiger, sympathischer Familienvater, sein Alter sowie diverse Details der gesundheitlichen Auswirkungen des Giftanschlages. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beanstandet der Betroffene, dass in dem Artikel eine genaue Ortsbeschreibung seines Wohnhauses angegeben sei. Dies halte er vor dem Hintergrund, dass bislang kein Täter gefunden worden sei, für unverantwortlich. Die Nennung der Straße und des Stadtbezirks ermöglichten eine leichte Zuordnung und täten in der Berichterstattung nichts zur Sache. Besonders perfide sei dies im Zusammenhang mit der in dem Artikel geäußerten Einschätzung des Psychologen, dass die Situation für ein potenzielles Mordopfer, den Täter noch frei herumlaufen zu wissen, unerträglich sei. Eine Stellungnahme der Zeitung liegt dem Presserat nicht vor. (2004)