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Zugehörigkeit zu einer Sekte

Pädagoge sieht sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt

Eine Lokalzeitung beschäftigt sich in einem Aufmacher mit der Frage, ob jemand, der sich nach eigenen Aussagen einer bestimmten Sekte verbunden fühle, im Rahmen der Kinderkulturwochen des Stadtjugendrings für Kinder von acht bis zwölf Jahren zweimal eine Woche lang täglich von 10 bis 16 Uhr ein Seminar zur Umweltbildung halten dürfe. Mit dieser Frage seien Leser an die Zeitung herangetreten. Das Blatt schildert das Projekt, befragt Stadtverwaltung und Umweltministerium und lässt auch den Betroffenen zu Wort kommen. Dem Beitrag ist ein Kasten beigestellt, in dem Ausschnitte aus der Berichterstattung einer anderen Zeitung wiedergegeben werden. Danach sei der Pädagoge von der Leitung eines Abenteuerspielplatzes entbunden worden, weil protestierende Eltern ihm die Mitgliedschaft in der Sekte „Universelles Leben“ vorgeworfen hätten. Als der Betroffene in einem Schreiben an Schulen und Organisationen für ein kostenloses Umweltbildungsprojekt geworben habe, habe eine Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt in diesem Angebot den Versuch gesehen, sowohl schulische Institutionen als auch den sozialen Bereich zu unterwandern. Der Deutsche Presserat hatte diesen Artikel seinerzeit gerügt, was in dem aktuellen Bericht der Lokalzeitung jedoch nicht erwähnt wird. Der Pädagoge ruft den Deutschen Presserat an. Er sieht sich sowohl durch den Artikel im Lokalblatt als auch durch die Zitate aus einer anderen Zeitung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Tatsache, dass die damalige öffentliche Rüge des Presserats unerwähnt geblieben sei, widerspreche der Forderung nach einer wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Außerdem sei auch nicht berichtet worden, dass er durch seinen damaligen Arbeitgeber rehabilitiert worden sei. Durch die Art der Berichterstattung und die aus seiner Sicht abwertende Bezeichnung „Sekte“ sieht er sich zudem in seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe diskriminiert. Die Chefredaktion der Zeitung betont, die Redaktion sei im vorliegenden Fall ihrer Wahrheits- und Sorgfaltspflicht nachgekommen. In dem ergänzenden Einspalter sei nur der Nachrichtenkern zweier Artikel einer anderen Zeitung referiert worden. Es sei schließlich Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinerzeit von seinen Aufgaben als Leiter eines Abenteuerspielplatzes entbunden worden sei und eine Fraktion im Stadtrat Vorwürfe gegen ihn erhoben habe. Der Artikel, den der Presserat gerügt habe, sei der Zeitung während ihrer Recherche zugespielt worden. Von einer Beanstandung des Presserats habe die Redaktion bei dieser Gelegenheit nichts gehört. Später, bei der telefonischen Recherche in der Redaktion des anderen Blattes, habe man dann von der Rüge erfahren. Es müsse aber im Rahmen des Zitatrechts möglich sein, kurz den zutreffenden Nachrichtenkern eines Artikels wiederzugeben, ohne die Folgegeschichte ausbreiten zu müssen. Zudem sei der Zeitung keine Richtlinie bekannt, wonach Presseratsrügen für ein anderes Blatt beim Zitieren des beanstandeten Artikels wiedergegeben werden müssten. Auch könne von einer bloß kurz zusammenfassenden Berichterstattung nicht verlangt werden, dass entlastende Umstände nach der unzweifelhaft erfolgten Suspendierung des Betroffenen breit dargestellt werden müssten. Man habe sich verpflichtet gefühlt, die religiösen Verbindungen des Beschwerdeführers zu thematisieren. Ohnehin habe der Betroffene selbst auf einem Elternabend über seine Verbindung zu der erwähnten Glaubensgemeinschaft sprechen wollen. Man habe ihn auch nicht wegen seiner Verbindung mit einer religiösen Gruppe diskriminiert, sondern diese nur in einen gesellschaftlich gerechtfertigten Zusammenhang mit seinen pädagogischen Aktivitäten gestellt. Nach Gerichtsentscheidungen dürfe „Universelles Leben“ als „Sekte“ bezeichnet werden. Es sei sicherlich kein Zufall, dass Berichte über die betroffene Glaubensgemeinschaft überwiegend kritisch ausfallen. „Universelles Leben“ gehe gegen solche Berichte oft massiv vor und nutze dabei alle juristischen Möglichkeiten, was gerade kleineren Zeitungen zu schaffen mache. Es sei schade, wenn der Deutsche Presserat diesen Trend zur Selbstzensur durch allzu hohe Anforderungen an die Berichterstattung unterstützen würde. (2003)