Autokennzeichen nicht geblendet
Dadurch Identifizierung von Fahrer und Halterin möglich
Unter der Überschrift „Amokfahrer raste in RWE-Fangruppe“ berichtet eine Boulevardzeitung über das blutige Ende eines feucht-fröhlichen Gelages in einer Trinkhalle. Fans eines Bundesligaclubs hätten den Sieg ihrer Mannschaft gefeiert und einige von ihnen hätten dabei die Hauswand der Bude bepinkelt. Der Sohn des Kioskbesitzers habe sich darüber so aufgeregt, dass er die Fans erst angeschrien und dann mit seinem Auto verfolgt habe. In einer Seitenstraße habe er die Gruppe eingeholt. Er sei mit Vollgas auf den Bürgersteig gerast und habe einen der Fans gegen eine Hauswand geschleudert. Der Verletzte sei in eine Klinik gebracht und der Fahrer festgenommen worden. Jetzt werde gegen den „Amokfahrer“ wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Die Zeitung nennt Vornamen, Initial des Familiennamens und Alter der beiden Betroffenen. Abgebildet ist ein Foto vom Unfallort mit dem als Tatwaffe eingesetzten Auto, dessen Nummernschild erkennbar ist. Anwaltlich vertreten, beschweren sich sowohl der Fahrer des Autos als auch seine Mutter, die Halterin des Autos ist, beim Deutschen Presserat. Auf dem Foto sei das Kennzeichen des Autos deutlich erkennbar. Es sei entgegen den presserechtlichen Erfordernissen nicht geschwärzt worden. Hierdurch könne ein Rückschluss auf den Fahrer gezogen werden. Dies gelte auch für die Mutter des Fahrers, die an dem Geschehen in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Die Identifizierbarkeit der Beschwerdeführer stelle einen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar und sei auch nicht durch ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. In der Bezeichnung des Beschwerdeführers als „Amokfahrer“ sei darüber hinaus eine Vorverurteilung gegeben, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Die Rechtsabteilung des Verlages räumt ein, dass das Kennzeichen des Unfallautos hätte geblendet werden müssen. Eine entsprechende Anweisung, die der Verfasser des Artikels auch gegeben habe, sei in der Hektik des Produktionsprozesses nicht befolgt worden. Die Redaktion habe aber, sobald sie auf diesen Fehler aufmerksam gemacht worden sei, umgehend ihr Bedauern über dieses Versehen ausgedrückt und gleichzeitig die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben. Mehr hätte sie aus ihrer Sicht nicht tun können. Ein Abdruck in der „Korrekturmeldung“ sei nicht in Betracht gekommen, da jegliche Form der Meldung das Augenmerk des Lesers erneut auf das nicht geblendete Fahrzeugkennzeichen gelenkt hätte. Den Vorwurf der Vorverurteilung hält die Rechtsabteilung für unzutreffend, da die Unschuldsvermutung berücksichtigt worden sei. Der Beitrag sei inhaltlich zutreffend und beruhe auf Informationen der ermittelnden Polizei. Der Beschwerdeführer sei nur mit Vornamen und Initial des Familiennamens gekennzeichnet worden, wobei der Familienname eigentlich ganz anders laute. Das Verhalten des Beschwerdeführers als „Amokfahrt“ zu werten, sei zulässig und stelle keine Vorverurteilung dar. Insoweit habe sich die Redaktion auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. (2004)