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Verdacht einer Stasi-Mitarbeit

Stadtrats- und Kreistagsmitglied wirft einer Zeitung Rufmord vor

Die PDS-Fraktion der Stadt habe sich seit Beginn der neuen Legislaturperiode geweigert, die eigenen Abgeordneten auf frühere Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit überprüfen zu lassen, schreibt die Zeitung am Ort. Das Blatt teilt seinen Leserinnen und Lesern in zwei Beiträgen mit, es seien Papiere aufgetaucht, die eine PDS-Stadträtin der wissentlichen oder unwissentlichen Arbeit für die Stasi verdächtigten. Die Außenstelle der Birthler-Behörde in Dresden besitze eine “Handakte für GMS” mit der Archivnummer 237/74, die als handschriftlichen Zusatz den Namen der arbeitslosen Ingenieurin trage, die als Parteilose in der zweiten Legislaturperiode für die PDS im Stadtrat und erstmals auch im Kreistag sitze. Nach den Aufzeichnungen solle die Betroffene von 1971 bis 1974 als so genannter “Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit (GMS)” für die Stasi gearbeitet haben. Im Detail erwähnt das Blatt, die heutige Kommunalpolitikerin sei vor allem im Rahmen der 10. Weltfestspiele 1973 in Berlin für das MfS tätig geworden, räumt aber ein, dass Unterlagen eines Geheimdienstes nicht den letzten Beweis für eine bewusste Zusammenarbeit liefern. Die 56-Jährige bestreite eine solche wissentliche Tätigkeit. Daran könne sie sich nicht erinnern. Der Fall habe eine zweite, eine tragische Dimension, schreibt der Autor. Der Ehemann der Betroffenen arbeite heute als geachteter Geschichtslehrer und sei Mitbegründer des Geschichtslehrerverbandes im Land. Er habe in Zeiten von Gorbatschow und Perestroika häufiger Nein gesagt. Am Ende habe er arbeitslos mit einer strengen Parteirüge zu Hause gesessen, zitiert das Blatt den Mann. Seiner Frau habe er immer geraten, offensiv mit dem Stasi-Verdacht umzugehen. Warum sollte ich, frage diese heute. Das sei doch 35 Jahre her. In ihrem Bericht über eine Sondersitzung des Stadtrates gibt die Zeitung eine Stellungnahme der Stadträtin zu den Vorwürfen ausführlich wieder. Richtig sei, dass sie 1971 für das MfS geworben werden sollte, dies aber abgelehnt habe. Die jetzt aufgetauchten Akten hätten dem Prüfungsausschuss der Stadt vorgelegen und seien als unbedenklich befunden worden. Sie selbst und ihr Mann hätten in ihrer Jugend die Ideale des Sozialismus vertreten, wären aber in einem Reifeprozess später zu anderen Ansichten gelangt. Das betroffene Ehepaar wendet sich an den Deutschen Presserat und beklagt, dass die Zeitung mit Halbwahrheiten und sensationsgestalteten Verleumdungen die Arbeit des Stadtrates erschwere. Zudem handele es sich bei dem ersten Beitrag über angebliche Stasi-Verwicklungen um Rufmord. Der Artikel sei aus Indiskretionen unter Missachtung der Schweigepflicht und längst geprüften Unterlagen gespeist worden. Die Zeitung hält, anwaltlich vertreten, die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses zum Redaktionsdatenschutzes für nicht gegeben. Soweit die Berichterstattung den Beschwerdeführer betreffe, so gehe diese auf dessen eigene, freiwillige Einlassungen zurück. Bei der Beschwerdeführerin handele es sich um eine Mandatsträgerin im Sinne der Richtlinie 8.1, Absatz 6, des Pressekodex. Weil sich die PDS der Stadt geweigert habe, sich einer Überprüfung auf Mitarbeit für die Stasi zu stellen, habe der Autor der Artikel bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Stasi zu Zwecken der journalistischen Berichterstattung Einsicht in eine etwaige Täterakte u.a. der Beschwerdeführerin beantragt. Die BStU habe dem Antrag erst im Jahre 2005 stattgegeben und Einsicht in die Täterakte der Beschwerdeführerin gewährt. Die Beschwerde sei unbegründet, stellt der Anwalt der Zeitung fest. Sie stelle nach Ansicht der Redaktion einen weiteren Versuch einer “stasi”-belasteten PDS-Amtsträgerin dar, die Justiz und den Presserat zu missbrauchen. Die Berichterstattung über eine Stasi-Verstrickung eines Lokal- und Regionalpolitikers umfasse auch die Mitteilung derjenigen Umstände, die für oder gegen eine Verstrickung sprechen, ebenso wie die Mitteilung derjenigen Umstände, die den Grad, die Intensität und die Dauer der etwaigen Verstrickung beurteilen lassen. Der Beitrag enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass die Stasi-Tätigkeit der Beschwerdeführerin keineswegs als erwiesen gelten kann. Die Begründung, mit der die Beschwerdeführerin diesen Verdacht zu entkräften versuche, habe die Redaktion ohne entwertende Zusätze ebenfalls wiedergegeben. Im Ergebnis liege hier also eine rechtlich wie publizistisch zulässige Verdachtsberichterstattung vor. Dabei sei die Nennung des Namens der Politikern nicht nur erforderlich, sondern auch zulässig gewesen. (2005)