Ermittlungen gegen einen Polizisten
Funktion des Betroffenen rechtfertigt öffentliches Interesse
Unter der Überschrift „Vorwürfe gegen höchsten Polizisten“ berichtet eine Regionalzeitung, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen einen leitenden Polizeidirektor eingestellt habe. Zwei Zeugen, die für den Polizeibeamten in dessen Mietshäusern Reinigungs- und Reparaturarbeiten vorgenommen hatten, hätten dem Polizeibeamten vorgeworfen, nach dem Tod einer Mieterin in deren Wohnung eingebrochen zu sein und daraus Inventar mitgenommen zu haben. Außerdem solle der Polizeidirektor durch den Einblick in speziell geschützte Kriminalakten fremde Personen ausspioniert haben. Die Inhaberin der Reinigungsfirma behaupte, der Hauseigentümer schulde ihr noch knapp 10.000 Euro für Arbeiten in vier seiner Mietshäuser. Sie und ihr Lebensgefährte seien von dem Polizeibeamten beauftragt worden, neue Mieter für freie Wohnungen zu suchen. Wenn sich ein Interessent gefunden habe, sei er von dem Polizeidirektor durch Einsicht in die Polizeiakten überprüft worden. Die Zeitung äußert angesichts der Schwere der Vorwürfe und der dezidierten Beschreibung der Straftat in der Strafanzeige ihre Verwunderung über die Einstellung der Ermittlungen. Dem Beitrag ist ein Zweispalter angefügt, in dem der Betroffene seine Sicht der Dinge darstellt. Er sei sich keiner Schuld bewusst, heißt es da. Er habe unter einer „Rechtslücke“ gelitten, weil er nach dem Tod einer Mieterin nicht in deren Wohnung hineingekommen sei, um sie wieder zur Vermietung herzurichten. Um sich seine Rechte zu sichern, sei er zwei Monate nach dem Tod der Frau durch ein auf Kipp stehendes Fenster in die Wohnung eingestiegen. Er habe einen Kollegen vom Erkennungsdienst um einen Freundschaftsdienst gebeten, damit dieser ihm die Wohnung öffne. Schließlich habe er vom Nachlasspfleger die Genehmigung erhalten, die Wohnung zu betreten. Die Wohnung sei völlig verwahrlost gewesen. Er habe keine Sachen gestohlen, sondern mit einem der beiden Zeugen nur einen Fernseher und eine Waschmaschine in einer Garage gelagert. Der Zeuge habe beide Geräte ohne sein Wissen verkauft. Zu der Frage, ob er sich in den Kriminalakten über seine potenziellen Mieter erkundigt habe, wird er mit den Sätzen zitiert: “Ja, das gebe ich zu. Dazu bin ich auch berechtigt. In ganz wenigen Einzelfällen habe ich dies getan, um so Prostitution oder Drogen in den Wohnungen zu verhindern.“ Das sei keine private Nutzung gewesen, denn er sehe alles mit dienstlichen Augen. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat wendet sich der Polizeidirektor dagegen, dass der Autor des Beitrages über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet habe, obwohl vereinbart gewesen sei, dass nur dann berichtet werden solle, wenn Anklage erhoben werde. In dem Artikel seien die gegen ihn gerichteten falschen Anschuldigungen als wahr und strafbar dargestellt worden. Der Beschwerdeführer sieht die Persönlichkeitsrechte seiner eigenen Person und die seiner Familie verletzt. Drei Tage nach der Veröffentlichung habe er der Zeitung in einer Gegendarstellung seine Sicht der Abläufe geschildert. Der Chef vom Dienst der Zeitung erklärt in einer Stellungnahme, dass seine Redaktion den Abdruck der Gegendarstellung bislang abgelehnt habe. Dabei gehe es nicht um die angeblichen Schulden des Betroffenen gegenüber der Reinigungsfirma. Dieser Komplex sei in der Berichterstattung stets als strittig dargestellt worden. Vielmehr gehe es um die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Stellung als Leitender Polizeidirektor dazu benutzt habe, sich über polizeiliche Quellen Auskunft über Mieter und Dienstleister zu beschaffen. Ferner müsse geklärt werden, ob die Tatsache, dass der Polizeibeamte privaten Umgang mit einem Staatsanwalt pflege, dazu geführt habe, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn durch eben diesen Staatsanwalt eingestellt worden sei. (2004)