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Religion eines Verdächtigen genannt

Razzia gegen Kinderpornografie in einer Großstadt

„31 … unter Kinderporno-Verdacht“ titelt eine überregionale Zeitung über eine Razzia in einer Großstadt. Die Verdächtigen sollen Kinderpornos besessen und verbreitet haben. Der Vorwurf richte sich gegen Männer, unter denen sich ein Zeuge Jehovas, ein ehrenamtlicher Jugendbetreuer und ein Ex-Soldat befänden. Die Frau des Beschuldigten, der den Zeugen Jehovas angehört, habe - so die Zeitung – fassungslos reagiert. Ein Angehöriger dieser Glaubensrichtung beanstandet, dass die Zeitung die Religionszugehörigkeit eines der Verdächtigen genannt habe. Dies sei bei keinem anderen der Verdächtigen geschehen. Eine neutral formulierte Berichterstattung wäre angemessen gewesen. Vorurteile und Intoleranz in der Bevölkerung würden so gefestigt und Angehörige der Religionsgemeinschaft am Arbeitsplatz und in der Schule diskriminiert und ausgegrenzt. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Redaktion vertritt die Auffassung, dass die Namensnennung publizistisch veranlasst war, weil die Zeugen Jehovas von ihren Mitgliedern die Einhaltung sittlicher Werte einfordere, denen sie nicht immer gerecht würden. Der Chefredakteur gibt zu bedenken, dass nur Angehörige sozialer Gruppen angeführt worden seien, die aufgrund ihrer Stellung, ihrer Tätigkeit oder ihrer ethnischen und moralischen Vorstellungen ein hohes Ansehen und großes Vertrauen in der Bevölkerung genießen. Dadurch werde deutlich, dass das Phänomen Kinderpornografie alle gesellschaftlichen Gruppen erfasse, auch solche, die aufgrund ihrer Bildung und ihrer moralischen Werte besonders vertrauenswürdig erschienen. Die Zeitung nimmt ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung über sexuelle Übergriffe auf Kinder für sich in Anspruch. Die Öffentlichkeit sei bei diesem Thema in hohem Maße sensibilisiert. (2006)