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Namensnennung bei einem Todesfall

Beitrag über den Umgang mit Trauer ohne Anonymisierung

Unter der Überschrift „Tod und Gedächtnis“ berichtet eine Zeitschrift über den „neuen Umgang mit der Endlichkeit des Lebens“. In einer Passage ihres Beitrages beschreibt die Autorin die leidenschaftlichen Emotionen der Lebenden, die ihrem Schmerz Luft machen wollen. Zum Beispiel durch die Verschwendung von Geld. So seien sieben teure Todesanzeigen, die ein gutes Drittel der Seite einer Tageszeitung beanspruchen, einem Neunzehnjährigen gewidmet worden. Der frische Abiturient, Zivildienstleistende, Radfahrer und Hobbymusiker sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Dass er auf der Stelle tot war und nicht lange leiden musste, sei der Familie, die es in der Anzeige vermerke, ein Trost. Die Autorin nennt den vollen Namen des Verunglückten und kommentiert die Zahl der Todesanzeigen mit der Feststellung: „Hier wurde wahrhaftig Geld verbrannt.“ Die Mutter des Unfallopfers ruft den Deutschen Presserat an. Sie kritisiert, dass in dem Beitrag der Name ihres Sohnes genannt wird. Ferner sieht sie die Menschenwürde ihres Sohnes verletzt. Die Verarbeitung der Trauer von Familie, Arbeitgeber, Schule und Freunden werde als Geldverschwendung dargestellt. Die Hinterbliebenen fühlten sich dadurch verunglimpft und in ihren Gefühlen verletzt. Die Redaktion der Zeitschrift versichert, dass sie mit dem Beitrag das Andenken des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht habe schmähen wollen. Die Autorin habe nur neue Trauerrituale skizziert. Formulierungen wie „Geld verbrannt“ und „Verschwendung“ seien sicherlich sehr ungeschickt. In einem Brief an die Mutter des Unfallopfers habe die Redaktion dies eingeräumt und ihr Bedauern ausgedrückt. (2004)