„Deutschlands mieseste Mutter“
Zeitung machte sich keiner Vorverurteilung schuldig
„Horror-Eltern ließen Tochter (4) Kalklöser trinken“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über ein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern eines vierjährigen Kindes wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Mutter soll „ihre Tochter … mindestens 13mal mit Kalklöser und Essigessenz vergiftet und dabei fast getötet haben“. Die Frau wird als „Deutschlands mieseste Mutter“ bezeichnet. Die gesamte Familie wird im Bild vorgestellt, wobei nur beim Vater die Gesichtspartie unkenntlich gemacht wurde. Ein Leser des Blattes ist der Auffassung, die Berichterstattung verstoße gegen die Ziffern 8, 9 und 13 des Pressekodex. Es handele sich nicht um eine objektive Berichterstattung, da die tatverdächtigen Eltern als schuldig dargestellt würden. Aussagen wie „Horror-Eltern“ und „Deutschlands mieseste Mutter“ seien ehrverletzend. Darüber hinaus sei das Foto der Mutter ohne Anonymisierung abgedruckt worden. Der Mann wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Mutter des vergifteten Kindes sei geständig und habe bei der Polizei erklärt, sie hätte sich überfordert gefühlt. Trotz des Geständnisses habe das Blatt die Taten der Mutter als Verdacht dargestellt. Im Text beziehe sich der Verfasser entweder auf den Staatsanwalt oder stelle die gegen die Frau erhobenen Vorwürfe auch als solche dar. Die umstrittenen Formulierungen seien als zulässige Meinungsäußerung zu werten. (2006)