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Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Auch Schutz der Jugend in einem Gerichtsbericht nicht beachtet

Unter der Überschrift „Jura-Student entblößte sich: Karnevals-Verbot“ schildert eine Boulevardzeitung das Gerichtsverfahren gegen einen 25-jährigen Karnevalisten, der sich als Betreuer der Funkenmariechen vor einer der jungen Damen entblößt haben soll. Dabei erwähnt sie, dass es ähnliche Fälle Jahre zuvor mit einer Kusine gegeben haben soll. Der Ex-Prinz wird zu zehn Monaten Jugendhaft auf Bewährung, zu einer Geldbuße von 720 Euro und zu einem dreijährigen Karnevalsverbot bei seinem Heimatverein verurteilt. Das in erster Instanz verhängte „Heimatverbot“ – er dürfe sich in seiner Heimatgemeinde nicht mehr sehen lassen – hob das Landgericht wieder auf. Nun könne er zumindest seinem Amt als Kirchenvorstand wieder nachgehen, schlussfolgert das Blatt. Die Zeitung nennt den Vornamen des Betroffenen und den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto, das den Studenten als Karnevalsprinz seines Heimatvereins der Session 1999/2000 zeigt. Der Anwalt des jungen Mannes moniert in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass Name und Foto seines Mandanten veröffentlicht worden seien. Außerdem werde die Zeitung auch dem besonderen Schutz gegenüber Jugendlichen nicht gerecht. Mit Rücksicht auf die Zukunft von Jugendlichen sei eine Namensnennung und identifizierende Bildberichterstattung zu unterlassen, sofern es sich nicht um schwere Verbrechen handele. Dass hier kein schweres Verbrechen begangen worden sei, müsse auch der Redaktion klar gewesen sein. Die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei hier in unangemessener Form vorgenommen worden. Durch die Veröffentlichung des Fotos sei der Resozialisierungszweck des vernünftigen und maßvollen Urteils komplett konterkariert worden. Die Zeitung habe das „Heimatverbot“, welches vom Gericht ausdrücklich aufgehoben worden sei, weil es dafür weder eine Rechtsgrundlage noch einen Grund gegeben habe, durch diese Veröffentlichung wieder durchgesetzt. Sein Mandant könne sich in seinem Heimatort nicht mehr blicken lassen. Die Rechtsabteilung des Verlages sieht dagegen Richtlinie 8.1 des Pressekodex nicht verletzt. Die Anklage habe auf sexuellen Missbrauch eines Kindes und damit auf einen Vorwurf gelautet, der die Öffentlichkeit besonders berühre. Auf Grund seiner langjährigen Aktivitäten im Karneval, insbesondere als Karnevalsprinz, komme dem Studenten eine gewisse Bekanntheit zu. Zumindest ein Delikt habe auch in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Karneval gestanden. Hinzu komme, dass das im Rahmen des Artikels veröffentlichte Foto öffentlich zugänglich sei und heute noch in einer Gaststätte aushänge. Der Beschwerdegegner kann auch keinen Verstoß gegen den Gedanken der Resozialisierung erkennen, da die Veröffentlichung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Verurteilung des Beschwerdeführers erfolgt sei. Es werde daher nicht ein bereits länger zurückliegender Fall in das Gedächtnis der Öffentlichkeit zurückgerufen und dem Täter dadurch die Möglichkeit genommen, die Erinnerung an seine Tat verblassen zu lassen. Auch der besondere Schutz gegenüber Jugendlichen sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sei der Beschwerdeführer bereits erwachsen gewesen. Das Schutzbedürfnis, das darin bestehe, einem Jugendlichen die Chance zu geben, sich zu einer gereiften und gefestigten Persönlichkeit zu entwickeln, habe daher nicht mehr bestanden. (2004)