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Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Fall einer illegalen Beschäftigung von öffentlichem Interesse

Weil er einen polnischen Staatsangehörigen als Fahrer beschäftigt hatte, der weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Fahrerlaubnis für einen Laster plus Anhänger vorweisen konnte, wird der Geschäftsführer eines Entsorgungsfachbetriebs wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und des Zulassens von Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Eine Zeitung der Region berichtet über die Gerichtsverhandlung und gibt dabei den Sitz der Firma des Angeklagten an. Außerdem erwähnt sie, dass in der Verhandlung ein Auszug aus der “Verkehrssünderkartei” verlesen worden sei. Der Angeklagte habe es darin auf stattliche 16 Punkte gebracht und eine Zeit lang auch auf seinen Führerschein verzichten müssen. Auch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung und wegen des Besitzes einer durchgebohrten Gaspistole sei im Bundeszentralregister vermerkt. Der Anwalt des Betroffenen beklagt beim Deutschen Presserat die identifizierende Art und Weise der Berichterstattung. Es gebe in dem erwähnten Ort nur eine Entsorgungsfirma. Darüber hinaus rechtfertigten das relativ unbedeutende Vergehen und die entsprechend geringe Geldstrafe nicht die ausführliche und letztlich unangemessen sensationelle Darstellung sowie die ausführliche Schilderung der Vorstrafen, die nichts mit der dem Betroffenen zur Last gelegten Tat zu tun hätten. Auch seien die genauen Angaben zu seinem Punktestand im Verkehrszentralregister in Flensburg und dem Entzug des Führerscheins unangebracht. Sein Mandant sehe sich durch die unverhältnismäßige und identifizierende Berichterstattung erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er und seine Familie würden seit dieser Veröffentlichung von zahlreichen Mitbürgern als Verbrecher abqualifiziert. Die Chefredaktion der Zeitung betont in ihrer Stellungnahme, sie habe sich an den Pressekodex gehalten und den Namen des Angeklagten nicht genannt. Die Marktgemeinde, in welcher der Beschwerdeführer wohne und in der er arbeite, umfasse ein Areal von 68 Quadratkilometern und habe 22 Gemeindeteile. Im Verlauf des Prozesses habe es die Staatsanwältin als signifikant und prozessentscheidend angesehen, welche unterschiedlichen Delikte dem Angeklagten zuvor schon zur Last gelegt worden seien. Die Aufzählung dieses Vorstrafenregisters sei ihr deshalb wichtig erschienen, um die vermeintlich geringfügige Verfehlung des Mannes einordnen zu können. Zudem sei der Angeklagte absolut uneinsichtig gewesen. Er habe eine andere Rechtsauffassung als die Justiz an den Tag gelegt und sich als zu Unrecht angeklagt gesehen. (2004)