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Ansehen der Presse beschädigt

Zweifelhafte Kritik an der Kundenfreundlichkeit einer Tankstelle

Eine Lokalzeitung veröffentlicht eine Glosse über die Kundenfreundlichkeit im Verlagsort. Der Autor braucht ein Überbrückungskabel, weil der Anlasser seines Autos vor der abendlichen Heimfahrt nach einem langen Arbeitstag nur noch müde schnauft. Die Hoffnung, der Tankwart der unweit gelegenen Tankstelle könne doch eben auf dem Nachhauseweg einen Schlenker über den Parkplatz direkt gegenüber machen und mit einem Kabel aushelfen, erweist sich als trügerisch. Ein Kabel hat der Mann, rüberkommen könnte er auch, will er aber nicht. Er mache heute nichts mehr, sagt er. Da hilft weder Bitten noch Betteln, kein Hinweis auf die regelmäßige Kundschaft, noch lautes Schimpfen. Der Autor der Glosse wundert sich nicht, dass der Bundesverband der Tankstellen mit Sitz in der Stadt einen Umsatzrückgang um 18 Prozent beklagt. Er will nach diesem Erlebnis sein Benzin künftig an einer Automatentankstelle kaufen. Null Service bekomme er dort auch, aber günstiger. In Vertretung des Pächters der Tankstelle beschwert sich der Einzelhandelsverband der Region beim Deutschen Presserat über die falsche Wiedergabe des Geschehens. Der Autor der Glosse habe nicht um Hilfe gebeten, sondern den Tankstellenbesitzer angeschrien, er müsse ihm helfen, er sei dazu verpflichtet. Er selbst sei schließlich Mitarbeiter der örtlichen Zeitung. Diese lautstark eingeforderte Hilfestellung habe der Pächter der Tankstelle abgelehnt, da er einen 13-stündigen Arbeitstag hinter sich gehabt habe und der Wagen des Journalisten 200 m entfernt auf einem Parkplatz geparkt gewesen sei. Dazwischen befinde sich eine vierspurig ausgebaute Hauptverkehrsstraße. Der Mann habe gerade seine Tankstelle abschließen wollen und auf Grund des Auftretens des Autofahrers kein Bedürfnis mehr verspürt, diesem zu helfen. Nach Erscheinen des Artikels habe man sich bei dem Chefredakteur des Lokalteils über die verzerrende und geschäftsschädigende Darstellung des Vorfalls beschwert. Eine Woche danach sei der Autor des Beitrages in der Tankstelle erschienen und habe dem Pächter geschäftlichen Schaden angedroht, so weit dies nicht schon mit seinem Artikel geschehen sei. Er werde noch weitere Möglichkeiten nutzen, ihm geschäftlich zu schaden. Er habe gehört, dass eine bestimmte Firma bei ihm tanke. Er werde sehen, ob sich daran etwas drehen lasse. Für dieses Gespräch gebe es Zeugen, betont der Beschwerdeführer, der das Auftreten des Journalisten in der Tankstelle als schlichtweg dreist bezeichnet. Der Chefredakteur der Zeitung ist der Ansicht, dass die Glosse bis auf die Identifizierung der Tankstelle für Ortskundige nicht zu beanstanden sei. Obwohl zu dem Vorgang zwei offensichtlich unterschiedliche subjektive Wahrnehmungen vorlägen, sei der grundlegende Sachverhalt, nämlich die Ablehnung der Dienstleistung, aber wohl unstrittig. Dies habe er in einem Schreiben auch dem Tankstellenpächter erklärt. Obwohl der Verfasser der Glosse, ein Austauschvolontär, die in der Beschwerde aufgeführte Verlaufsdarstellung seiner Gespräche mit dem Tankstelleninhaber bestreite, sei sein Verhalten eindeutig zu beanstanden. Der Volontär habe seine journalistische Funktion für persönliche Zwecke missbräuchlich genutzt. Damit habe er dem Ansehen der Zeitung geschadet. Er sei von der Chefredaktion auf sein Fehlverhalten hingewiesen und mündlich abgemahnt worden. Zudem habe er sich bei dem Tankstellenpächter entschuldigen müssen. Von weitergehenden disziplinarischen Maßnahmen habe man auf Grund der Befristung des Ausbildungsverhältnisses abgesehen. Auch die Chefredaktion selbst habe sich schriftlich bei dem Pächter für das Fehlverhalten ihres Volontärs entschuldigt. Mit dieser Reihe von Maßnahmen ist nach Ansicht des Chefredakteurs das Verhalten hinreichend sanktioniert. (2004)