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Foto eines jungen Amokläufers abgedruckt

Zwei Tage nach der Tat war Darstellung nicht mehr erforderlich

Unter der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” berichtet eine Sonntagszeitung über die Tat eines 16-Jährigen in Berlin, die dieser am Freitagabend begangen hatte. Eines der ersten durch Messerstiche verletzten Opfer hatte eine HIV-Infektion, so dass die später Verletzten befürchten mussten, an Aids zu erkranken. Teil der Berichterstattung ist ein unscharfes Foto, das den Täter bei der Festnahme zeigt. Auf einem weiteren Foto kümmern sich Helfer um eines der Opfer. Dabei ragt dessen Kopf unter einer Decke hervor; das Gesicht ist zur Hälfte von einer Hand verdeckt. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung eine Missachtung von Opfer und Täter. Die Überschrift überschreite die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Berichterstattung. Sie beruft sich auf den zeitgeschichtlichen Charakter der Fotos. Die identifizierbare Abbildung von Personen sei im Kontext mit dem Amoklauf in Berlin zwei Wochen vor der Eröffnung der Fußball-WM zulässig gewesen. Insbesondere das Foto des Täters habe die Zeitung ohne Anonymisierung abdrucken dürfen. Die Bilder zeigten ihn unmittelbar nach der Tat. Diese sei in aller Öffentlichkeit geschehen. Hinsichtlich der Opferfotos verweist die Zeitung auf den zeitgeschichtlichen Charakter des Geschehens. Die dargestellten Personen seien nicht zu erkennen. Porträt und Nahaufnahme des abgebildeten Opfers seien mit dessen Einverständnis abgedruckt worden. Der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” habe eine Agentur-Eil-Meldung zugrunde gelegen, wonach einer der zuerst Verletzen HIV-positiv sei. Opfer und Helfer seien von Medizinern und der Polizei aufgefordert worden, sich in Krankenhäusern mit vorbeugenden Medikamenten versorgen zu lassen. (2006)