Vorverurteilung durch Bezeichnung “Killer”
Boulevardzeitung musste falsche Berichterstattung richtig stellen
“Das ist der Rotkohl-Killer – Er hat das Baby seiner Freundin zu Tode gefüttert” – unter dieser Überschrift berichtet am 14. Januar 2006 eine Boulevardzeitung über einen 17 Monate alten Jungen, der an Überfütterung mit Rotkohl gestorben ist. Die Mutter und ihr Ex-Freund sitzen in U-Haft. Der Mann wird als “Killer Marcus V. (23)” mit Foto vorgestellt. Der Name der Mutter ist verfremdet. In dem Artikel heißt es: “Er presste dem kleinen Justin Rotkohl in den Mund. So lange, bis das Kind keine Luft mehr bekam. Es starb später im Krankenhaus. (…) Wer ist dieser junge Mann, der zum Kinder-Killer wurde?” Durch die Kombination von Foto, Überschriften, Bildtexten und Artikel hat die Zeitung nach Ansicht einer Blogger-Initiative massiv gegen das Vorverurteilungsverbot nach Ziffer 13 des Pressekodex verstoßen. Der Täter habe kein Geständnis abgelegt, sondern bestreite die Vorwürfe. Die Initiative wendet sich an den Deutschen Presserat. Unter Hinweis auf mehrere Agenturmeldungen hält sie die Berichterstattung für falsch, da die Staatsanwaltschaft Marcus V. nicht vorwerfe, das Kind in der geschilderten Weise gefüttert zu haben. Diese Tat lege die Anklagebehörde allein der Mutter zur Last. Der Lebensgefährte soll demnach der tödlichen Misshandlung tatenlos zugesehen haben. Die Darstellung der Zeitung sei vermutlich frei erfunden, in jedem Fall jedoch unzutreffend. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Beschwerde wegen Wiedergutmachung für erledigt, da das Blatt in seiner Ausgabe vom 3. November 2006 den Sachverhalt richtig gestellt habe. Den Anlass dazu bot das einen Tag zuvor ergangene Gerichtsurteil. Die Rechtsabteilung wirft dem Beschwerdeführer vor, selbst unlauter und sorgfaltswidrig gehandelt zu haben, indem er dem Presserat Agenturmeldungen vorgelegt habe, die Monate nach der Erstveröffentlichung erschienen seien und somit keinesfalls den Stand der Fakten zum Zeitpunkt der Berichterstattung Mitte Januar 2006 wiedergegeben hätten. Bei Erscheinen des ersten Artikels sei von einer “Täterschaft durch Unterlassen” noch nicht die Rede gewesen. (2006)