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Symbol des Terrors

Foto eines zerfetzten Beines verdeutlicht Schrecken des Terrors

Unter der Schlagzeile „Terror-Bombe im Linienbus“ berichtet eine Boulevardzeitung über ein Attentat auf einen Bus voller Schüler in Jerusalem, dessen Opfer acht Tote und über 60 Verletzte sind. Dem Beitrag ist ein Farbfoto beigestellt, welches das Innere des zerstörten Fahrzeuges zeigt. Mitten im Gang liegt ein abgetrenntes, zerfetztes Bein. Sechs Leserinnen und Leser nehmen an dieser Veröffentlichung Anstoß und beschweren sich beim Deutschen Presserat. Mit diesem Foto werde eine Grenze überschritten, werde ein Menschenleben auf ein abgetrenntes Bein reduziert. Einer der Beschwerdeführer gibt zu bedenken, dass die Zeitung an den Verkaufsständen oft offen ausliege und somit auch Kinder dieses Foto mit möglichen negativen Folgen für sie betrachten könnten. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Veröffentlichung für angemessen, weil sie der medialen Verharmlosung des palästinensischen Terrors entgegenwirke. Das Foto sei nicht sensationell, weil es die blutige Realität des israelischen Alltags zeige, und es sei auch nicht unangemessen sensationell, weil das Bild in seiner trostlosen Lakonie gerade nicht auf Sensation, sondern auf Erschütterung ziele. Zudem werde nicht ein Menschenleben auf ein abgetrenntes Bein reduziert, sondern die terroristische Gewissenlosigkeit von Hamas und El Fatah. Dass das beanstandete Foto für Kinder ungeeignet sei und die Grenzen des guten Geschmacks überschreite, möge zutreffen. Aber Zeitungen seien weder Bilderbogen für Kinder und Jugendliche, noch seien sie Fibeln über Geschmacksfragen. Zeitungen seien Informationsträger, welche umfassend und wahrhaftig auch über die dunklen Seiten dieser Welt berichten müssten. Dass einige daran mitunter Anstoß nähmen, ließe sich nicht vermeiden. Wie das Bundesverfassungsgericht im Benetton-Urteil klarstelle, sei jedoch ein „vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt der Bürger kein Belang, zu dessen Schutz das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden dürfe“. (2004)