Nataschas Name durfte genannt werden
Zeitung berichtet, wie sich Entführungsopfer vom Täter verabschiedet
Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift “Natascha trauert am Sarg ihres Entführers” und nennt den vollen Namen der jungen Frau, die von dem durch Selbstmord geendeten Verbrecher jahrelang im Keller seines Hauses gefangen gehalten worden war. In der Gerichtsmedizin habe Natascha eine Kerze für ihren Peiniger angezündet. Dem Begräbnis habe sie nicht beigewohnt. Ein Leser sieht einen Verstoß gegen das in Ziffer 8 des Pressekodex enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die junge Frau habe einen Anspruch auf den Schutz ihres Namens. Die Nennung des Namens diene weder dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung der Straftat, noch ermögliche sie die Bestrafung des Täters. Die Veröffentlichung mache Natascha und ihr wie auch immer geartetes Verhältnis zu dem mutmaßlichen Täter zum Gegenstand öffentlicher und privater Spekulationen. Genau dies habe die junge Frau ausdrücklich verhindern wollen. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist darauf, dass fast alle deutschen und österreichischen Medien über die Bestattung des Entführers berichtet haben. Die Information, dass Natascha am Sarg Abschied genommen habe, sei sowohl von der Wiener Bundespolizei als auch vom Beraterteam des Entführungsopfers weitergegeben worden. Sie sei zur Veröffentlichung bestimmt gewesen. Die Redaktion habe sich also nicht über den Willen der Entführten hinweggesetzt. Dass sie den vollen Namen der jungen Frau gedruckt habe, liege an deren Bekanntheitsgrad. Schon seit ihrer Entführung im Jahr 1998 sei ihr Name in der Öffentlichkeit präsent. Auch ein weithin verbreitetes Fernsehinterview sei unter vollem Namen gelaufen. Deshalb habe ihn auch die Zeitung genannt. (2006)