Betrügerin als „Sinti-Frau“ bezeichnet
Diskriminierung, obwohl Täterin selbst den Begriff benutzte
„Ein Jahr Haft auf Bewährung für betrügerische ´Wahrsagerin´“ titelt eine überregionale Zeitung. Es geht um eine Gerichtsverhandlung, in der eine Wahrsagerin wegen gewerbsmäßigen Betruges zum Nachteil zweier Frauen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Die Zeitung gibt den Tathergang wieder. Dabei wird die Angeklagte als „Sinti-Frau“ bezeichnet. Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma wendet sich an den Deutschen Presserat. Er erkennt einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex sowie Richtlinie 12.1. Die Minderheiten-Kennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung sieht das anders. Bei der Produktion des Textes habe es in der Redaktion Überlegungen gegeben, ob die Bezeichnung „Sinti-Frau“ eine Diskriminierung der Volksgruppe der Sinti und Roma darstelle. Da die Wahrsagerin ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe jedoch bewusst und gezielt eingesetzt habe, als sie Passanten in der Hamburger Innenstadt ansprach, habe die Redaktion den Begriff gewählt. Die Wahrsagerin habe ihre Zugehörigkeit dazu genutzt, um ihre betrügerischen Taten zu fördern. Vor diesem Hintergrund sei die Kennzeichnung der Täterin sachbezogen und publizistisch veranlasst gewesen. (2006)