Bezeichnung „Raffke“
Überaus kritische, aber noch tolerierbare Einschätzung
In zwei Beiträgen berichtet eine Boulevardzeitung über eine „Riesenempörung“ im Rathaus. Entsprechend lauten die Schlagzeilen: „Personalratschefin als Raffke erwischt“ und „Personalräte entsetzt über Raffke-Chefin“. Im Text teilt die Zeitung ihren Leserinnen und Lesern mit, dass sich die freigestellte Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung und Mitbegründerin einer Wählervereinigung um das höher dotierte Amt einer Abteilungsleiterin Bäderwesen beworben habe. Im Klartext bedeute dies, dass sie den Job gar nicht antreten, als Abteilungsleiterin aber monatlich 200 Euro mehr bekommen werde. Dies nimmt die Zeitung zum Anlass, die Betroffene mehrfach als „Raffke“ zu bezeichnen. In einem Kommentar wird der Frau Besitzstandsdenken pur und ein fragwürdiges Verantwortungsgefühl gegenüber dem Unternehmen unterstellt, das in diesem Fall Rathaus heiße. Der Landesbezirksleiter der Gewerkschaft ver.di ist der Ansicht, dass die Berichterstattung unangemessen und ehrverletzend sei. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Kollegin habe sich auf die ausgeschriebene Stelle als Abteilungsleiterin beworben. Aus diesem Verfahren sei sie unter fünf weiteren Bewerbern als Favoritin hervorgegangen. Sie sei dem Verwaltungsausschuss zur Stellenbesetzung vorgeschlagen worden. Ihr könne zu keinem Zeitpunkt ein Fehlverhalten vorgeworfen werden. Der Beschwerdeführer zitiert aus dem Personalversorgungsgesetz des Landes: „Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach diesem Gesetz wahrnehmen, dürfen darin nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.“ Demzufolge sei es ehrverletzend, der betroffenen Frau aus dem Umstand ihrer berechtigten Bewerbung Vorwürfe zu machen. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt in ihrer Stellungnahme mit, die Bewerberin habe in einem Vorstellungsgespräch dem Sportamtschef der Stadt erklärt, dass sie bei Übernahme ihres neuen Amtes auf ihre Freistellung als Personalrätin verzichten werde. Auf Grund dieser Aussage sei sie dem zuständigen Ausschuss als Favoritin vorgeschlagen worden. Dem Ausschuss habe sie aber wenige Tage später erklärt, dass sie die Stelle nicht antreten werde. Dieses Verhalten habe bei den Fraktionen im Rathaus Befremden ausgelöst. Dementsprechende Äußerungen der Fraktionspolitiker hätten von „Skandal“ über „Enttäuschung“ bis zu „Unverständnis“ gereicht. Die Rechtsvertretung betont, dass die Berichterstattung in jedem einzelnen Punkt wahr sei. Der Zeitung habe es fern gelegen, das Verhalten der Frau in rechtlicher Sicht zu bewerten. Es gehe vielmehr um eine Bewertung ihres Vorgehens aus moralischer Sicht. (2004)