Vorverurteilung
Vorwürfe gegen einen Box-Trainer als bewiesen dargestellt
Dreizehn Tage lang berichtet ein Boulevardblatt über die Vorwürfe gegen einen Box-Trainer wegen möglichen sexuellen Missbrauchs von jugendlichen Boxschülern. Der Name des Betroffenen wird genannt, ein Foto von ihm veröffentlicht. In den einzelnen Beiträgen finden sich Formulierungen wie: “... hat vergewaltigt”, “Das Box-Ekel von...”, “Die schrecklichen Details über den Kinderschänder...” und “Die Übergriffe des Box-Ekels nach dem täglichen Training bis hin zur brutalen Vergewaltigung – sind diese Schicksale, wie viele vermuten, tatsächlich die Spitze des Eisberges ?” Der Anwalt des Boxlehrers sieht in der Berichterstattung eine Vorverurteilung seines Mandanten und legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Zudem kritisiert er einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, da er ganzseitig als Schuldiger ohne Gesichtsbalken dargestellt werde. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die Öffentlichkeit habe ein großes Informationsinteresse an der Berichterstattung in dieser Form. Der mutmaßliche Täter sei eine Person der Zeitgeschichte. Er sei Mitglied einer berühmt-berüchtigten Bande gewesen und in diesem Zusammenhang zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Danach sei er resozialisiert worden, sei deutscher Boxmeister geworden und habe fortan ein bekanntes Boxstudio betrieben. Insofern hätte sein Klarname genannt werden können. Die Verdachtsberichterstattung beruhe auf Recherchen der Redaktion, sei bestätigt durch detaillierte, glaubhafte eidesstattliche Versicherungen mehrerer Betroffener. Eine Vorverurteilung könne den Artikeln nicht entnommen werden. Abschließend teilt die Chefredaktion mit, dass entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers die Ermittlungsverfahren gegen ihn noch nicht eingestellt seien. Dies habe die zuständige Staatsanwältin bestätigt.(2003)